Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
Augenblick mit Rhys stehen würde. Sie wollte, dass er die Mühen würdigte, die sie auf sich genommen hatte, um den Fortbestand dieses Dorfs zu sichern. Sie wollte, dass er sie dafür auch achtete. Und er sollte endlich einsehen, dass er seine Bestimmung überall finden konnte, nicht nur an diesem Ort. Mit seiner Autorität, seinem Einfluss, Rang und Wohlstand konnte er weitaus mehr erreichen als in Buckleigh-in-the-Moor sein Dasein als Landlord zu fristen, wie es ihm gegenwärtig vorschwebte.
Irgendwie musste es ihr gelingen, ihn aus seinem beharrlichen Irrglauben an ein vorbestimmtes Schicksal zu reißen.
Sie warf einen kurzen Blick zur Seite, über den Rand der Felsen. »Vielleicht ist es mein Schicksal, in diesen See zu fallen.«
»Sei nicht töricht.«
»Was ist daran töricht? Du hast selber gesagt, wenn etwas geschehen soll, dann geschieht es auch. Ich werde in diesen See fallen. Und was dann?«
Er raufte sich mit einer Hand sein Haar. »So hab ich das nicht …«
»Wie denn dann, Rhys?« Sie hob die Brauen. Und ihre Stimme. »Soll ich untätig bleiben und auf mein Schicksal harren? Würdest du dich entspannt zurücklehnen und mit ansehen wollen, wenn es mein Schicksal wäre zu ertrinken?« Sie ging ein, zwei Schritte näher an den Rand. »Zumal es sinnlos ist, sich dagegen aufzulehnen.«
Eine plötzliche Ahnung blitzte in seinen Augen auf. »Merry Lane, wag es ja nicht …«
»Schicksal ist Schicksal«, gab sie zurück.
Dann machte sie einen letzten großen Schritt nach hinten … ins Nichts.
9
M eredith war nicht mehr da.
Rhys fuhr es durch Mark und Bein.
Um zu dieser einfachen Erkenntnis zu kommen, die er in Sekundenbruchteilen hätte gewinnen müssen, brauchte er eine gefühlte Ewigkeit. Währenddessen ertappte er sich dabei, dass er absurderweise die Wissenschaft erklärend zu Rate zog.
Er hatte das Gesetz der Schwerkraft nie begriffen. Wie konnte es sein, dass ihm das Herz in die Kehle stieg und zur selben Zeit die Kräfte der Erdanziehung ihren Körper in die Tiefe zerrten?
Was das anlangte, ließ die Schwerkraft sich unsäglich viel Zeit mit dem Zerren.
Platsch. Wasser spritzte auf.
Endlich. Oh, Gott sei Dank. Aufspritzenwar gut. Eswar um vieles besser als ein Aufklatschen. Oder ein Knirschen.
Er setzte sich in Bewegung. Es war unglaublich, aber seine erste Regung bestand darin, vor lauter Erleichterung auf die Knie zu fallen. Eine halbe Sekunde später war er bereits zum Rand des Abhangs gerobbt und reckte den Kopf vornüber, um sie in dem dunklen Gewässer zu suchen. Wenn sie nach links abgedriftet und unter die Fälle geraten war, dann würde sie von dem Sog und der Kraft der Kaskaden hinabgezogen werden, ohne jede Hoffnung auf ein Entrinnen.
Aber nein. Er entdeckte sie weiter rechts. Der leichte Stoff ihres Kleides bauschte sich unter der funkelnden Wasseroberfläche wie der Schatten einer Wolke. Die Felsen und Fälle hatten sie verschont. Aber dort war der See tief.
Dieses verflixte Frauenzimmer! Sie konnte ja wohl schwimmen oder nicht?
Ohne den Blick von dem See loszureißen, warf er sein Wams beiseite und begann, an seinen Stiefeln zu zerren. Sie würde gewiss gleich die Oberfläche durchbrechen und auftauchen, redete er sich zu. Ihn anlächeln, tapfer und triumphierend, ihre silbergesprenkelten Augen aufblitzend wie Flintstein.
Jetzt gleich, jeden Moment.
»Meredith«, brüllte er, derweil er seinen rechten Stiefel auszog. »Genug jetzt. Du hast deinen Standpunkt bewiesen. Das ist nicht mehr spaßig.« Er kämpfte mit dem linken Stiefel. Das steife Knie machte es ihm nicht leichter. Sie war noch immer nicht aufgetaucht. Vielleicht hatte sie sich im Seegras verfangen. Oder sich bei ihrem Sprung übel den Kopf gestoßen.
Er versagte sich einen lautstarken Fluch. Mochte keinen Atem verschwenden. Als er sich endlich beider Stiefel entledigt hatte, schnürten ihm Angst und Entsetzen die Kehle zusammen, raubten ihm den Atem. Röchelnd füllte er seine Lunge, ehe er ihr hinterhersprang.
Die Kälte ließ ihn beinahe ohnmächtig werden. Das nasse Element drängte unaufhaltsam in sämtliche Poren. Er kämpfte den Impuls nieder, zum Rand zu schwimmen, statt sich tiefer in die eisigen Fluten sinken zu lassen.
In die Finsternis.
Er öffnete die Augen unter Wasser, um in den diffus wogenden Schatten irgendetwas zu erkennen. Er gemahnte sich zur Besonnenheit und tauchte langsam einmal im Kreis, während er konzentriert seine Umgebung absuchte.
Felsen.
Felsen über Felsen.
Ein
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