Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
und meinte: »Also dann. Führe mich.«
Sie gab ein gemächliches Tempo vor, und er folgte ihr über den Felskamm.
»Pass auf, wo du hintrittst«, warnte sie ihn, derweil sie ihn um den Rand des Moors führte. Er war lange fort gewesen, und sie fürchtete, dass er sich nicht mehr auskannte. An der Oberfläche sah das Moor harmlos aus wie ein morastiges Stück Land, das mit struppigen Flecken violetten Heidekrauts betupft war. Unter dem ungefährlich anmutenden Morast lag indes die Quelle des Flusses verborgen, der über diese Felshänge direkt durch das Herz von Buckleigh-in-the-Moor floss. Torf und Schlick türmten sich meterhoch über selbiger Quelle, dieses Moor hatte bereits für etliche unwissende Geschöpfe ein tragisches Ende bedeutet: Ein falscher Schritt und Mensch oder Tier waren unweigerlich in den erstickenden Untiefen versunken.
Während sie den Abhang hinunterliefen, wurde der Boden fester und sicherer, denn das Wasser aus den umgebenden Torfschichten sammelte sich zu einem munter murmelnden Bach. Sie gingen hintereinander und folgten dem Verlauf des zunehmend breiter werdenden Stroms.
An der Leichtigkeit seiner Schritte erkannte Meredith, dass sich einiges von der ärgerlichen Anspannung in seinem Körper gelegt hatte. Als sie auf dem Gelände standen, wo er sein Cottage bauen wollte, hatte er derart tief verletzt und betroffen gewirkt, dass sie Angst um ihn gehabt hatte.
»Es ist bestimmt Jahre her, seit ich diesen Weg zuletzt entlanggewandert bin«, bekannte sie. »Sieht aus, als hätte sich seitdem nicht viel verändert. Oder was meinst du?«
»An der Landschaft? Nein.« Er warf ihr einen scherzhaften Blick zu. »Aber meine Begleiterin ist viel hübscher als damals.«
Ihre Wangen glühten mit einem Mal vor Hitze, sodass ihr nicht einmal die kühle Brise, die vom Strom aufstieg, Linderung verschaffen konnte. Dass sie als junges Mädchen keine sonderliche Schönheit gewesen war, war gelinde gesagt eine Untertreibung, dennoch erfüllte es sie mit leisem Stolz, dass er sich noch daran erinnerte. »Ich weiß, ich weiß. Ich war bloß Haut, Knochen und Sommersprossen.«
Er lachte. »Das mag zwar zutreffen, aber das meinte ich damit nicht. Ich bin sicher, du warst auf jeden Fall hübscher als mein Pferd.«
»Oh! Dein anderer Begleiter. Verstehe.« Um ihre Verlegenheit zu überspielen, nötigte sie sich ein Lächeln ab. »Aber das war ein schönes Pferd. Mein Vater schwärmt noch heute davon. Er beteuert, es sei das prachtvollste Tier gewesen, das er jemals im Stall hatte.«
Rhys verfiel in brütendes Schweigen.
Meredith atmete erleichtert auf. Anscheinend war ihr Geheimnis bei ihm sicher. Als Mädchen hatte sie ihn oft auf diesem Weg begleitet, stets peinlich darauf bedacht, ja nicht ertappt zu werden. Das war für das magere kleine Ding mit den wilden Locken nicht allzu schwierig gewesen. In ihren dunkel gewirkten, unauffälligen Kleidern hätte sie nachgerade wie ein Stückchen Torf mit dem Moor verschmelzen können.
Während sie dem Verlauf des Pfades folgten, maß sie die Entfernungen anhand der alten Landmarken, die ehemals ihre heimlichen Verstecke waren. Der Felsquader, der auf einem Abhang Wache hielt, die ausgewaschene Senke, wo der Fluss in einer scharfen Biegung verlief, der knotige Weißdornbusch, der von violett schimmerndem Heidekraut umgeben war, das in voller Blüte stand.
Feldschwalben kreisten über ihnen am Himmel. Es war nicht mehr weit bis zu der Stelle, die ihnen beiden besonders vertraut war: der Wasserfall, der in eine tiefe Schlucht stürzte und dort einen kleinen See bildete. Dieser geheime See war in ihrer Jugend Rhys’ Zufluchtsort gewesen, wenn er wieder einmal die Schule geschwänzt hatte. Auch Meredith hatte dieser Ort magisch angezogen, aber davon ahnte er nichts. Sie war ihm viele Sommernachmittage gefolgt, um ihn heimlich dabei zu beobachten, wie er sich nackt auszog und in das kühle, glasklare Wasser sprang. Damals war es jugendlicher Übermut und schlichte Neugier gewesen. Inzwischen war sie jedoch eine erwachsene Frau. Während sie sich dem versteckten See näherten, prickelte pures Begehren durch ihre Venen.
»Ständig reden wir von mir«, sagte er. »Erzähl mir einmal mehr von dir.«
Auch das war eine neue Seite an ihm. Logisch, dass ein kraftstrotzender junger Mann mit knapp siebzehn Jahren kein Interesse an einem spindeldürren, noch kaum entwickelten Quälgeist wie Meredith hatte. Doch jetzt schien Rhys sie endlich zu bemerken. Während sie
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