Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
bloß, dass sie groß, bullig und furchteinflößend aussahen wie …« Ihr Blick schoss zu Rhys und hastig wieder fort. Sie räusperte sich. »Oh, und einer war kahlköpfig. Ich erinnere mich, dass seine Glatze hell im Mondlicht aufschimmerte. Und der andere … nun, ich hörte, wie er seinem Kumpan noch etwas zurief, ehe sie Fersengeld gaben. Klang nach einem schottischen Akzent. Das ist alles, was ich weiß.
Überdies galt meine ganze Sorge Leo. Ich lief zu ihm. Er war ohnmächtig geworden. Sein Bekannter sah ebenfalls schlimm zugerichtet aus, aber er war in der Lage zu sprechen. Er bat mich, die Kutsche zu holen, und dann gab er mir eine Adresse.« Sie blickte zu Bellamy. » Ihre Adresse.«
Rhys und Bellamy wechselten einen Blick.
Sie schniefte leise. »Folglich bin ich zurück zur Straße gelaufen, und wie es der Zufall wollte, war Leos Bursche eben mit der Kutsche zurückgekehrt. Ich bat den Fuhrmann abzusteigen und mir zu helfen. Erklärte ihm, da wären zwei Gentlemen, die dringend einen Arzt bräuchten. Aber als wir die Gasse erreicht hatten, war der dunkelhaarige Mann verschwunden. Nur Leo lag noch dort.«
Sie schniefte erneut, und eine Träne, die eine feine Spur auf ihrem gepuderten Gesicht hinterließ, rollte über ihre Wange. Bellamy zog ein weißes Leinentaschentuch aus seinem Jackett, das sie wortlos nahm.
»Wir brachten ihn in die Droschke, und ich versuchte, ihn warm zu halten. Er zitterte am ganzen Leib und war leichenblass. Sein Atem ging in kurzen, rasselnden Stößen. ›Du darfst nicht sterben‹, flehte ich ihn wieder und wieder an. ›Du darfst nicht sterben, Leo, bitte, bitte, du darfst noch nicht sterben.‹« Sie schluchzte in das Taschentuch. »Aber es war vergeblich. Er starb in meinen Armen. Und ich küsste ihn, ich konnte nicht anders. Ich sage Ihnen, es brach mir das Herz glatt entzwei. In jenen wenigen Stunden hatte ich mich halb in ihn verliebt.«
Sie weinte haltlos.
Rhys wandte den Blick ab. Vielleicht lag es an der nachhaltigen Erregung und den Emotionen von ihrem Erlebnis am See, dass er von Coras Geschichte tief berührt war. Es erleichterte ihn, dass Leo in der Stunde seines Abschieds ein wenig Zärtlichkeit beschieden gewesen war, wenn auch von einer fremden Person. Leos Charme und attraktives Äußeres hatten es ihm immer leicht gemacht, Sympathien zu wecken. Die meisten Männer, die eines gewaltsamen Todes starben, hatten dieses Glück nicht. Wie oft hatte er seinen geschundenen Leib aus einer Tavernentür oder vom Schlachtfeld geschleppt? Und kein einziges Mal war er in den Armen eines blonden Engels aufgewacht, der sich zärtlich seiner annahm. Cora konnte ihn nicht einmal anschauen, ohne dass ihre Lider nervös zu flattern anfingen. Die Vorstellung, dass sie um ihn weinte, löste einen Anfall von Heiterkeit in ihm aus.
Das Lachen blieb Rhys im letzten Moment in der Kehle stecken, stattdessen hüstelte er betreten.
Seine Augen tasteten sich zu Meredith. Sie fing seinen Blick auf, und ihr Knie streifte seines unter dem Tisch. So verharrte sie, ihr Bein leicht an seines geschmiegt.
Es hätte Zufall sein können. Indes glaubte er nicht an Zufälle.
»Oh ja«, höhnte Bellamy. Seine Augen senkten sich argwöhnisch in die des Mädchens, die vom Weinen feucht und rotgeädert waren. »Sie waren in Leo verliebt. Aber das hat Sie nicht daran gehindert, ihm die Taschen zu leeren, nicht wahr?«
Cora schnäuzte sich die Nase. »Nun, ich brauchte doch Geld für den Kutscher. Und er hatte mir drei Shillinge versprochen und …« Sie setzte sich kurzerhand über ihre Befindlichkeiten hinweg. »Ich bin schließlich bloß eine Dirne. Ob lebendig oder tot, er konnte die paar Geldstücke entbehren.«
»Außer«, begann Rhys und griff in seinen Rock, »dass eins davon gar kein Geldstück war.«
Aus seiner Brusttasche zog er eine der Messingmünzen, welche die Mitgliedschaft im Stud Club bezeugten. Er legte sie auf den Tisch und schob sie mit der Spitze seines Zeigefingers zu Cora. »Erkennen Sie die wieder?«
»Aber gewiss doch.« Sie hob sie auf, spähte darauf und musste lächeln. »Komisches kleines Ding, was? Erst wusste ich nicht, was ich damit anfangen sollte. Dachte, die ist bestimmt nichts wert. Ich bewahrte sie in meiner Börse auf, bis Jack mir eine Guinee dafür bot. Ich packte die Gelegenheit beim Schopfe und nahm die nächste Postkutsche nach Hause, zu meiner Mom in Dover. Dort spürte Ihr Freund mich schließlich auf.«
Jack d’Orsay war zwar nicht unbedingt
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