Zwei Toechter auf Pump
»Können sie ja verkaufen. Als Bauland. Und in die Stadt ziehen. Da hätten sie noch was vom Leben.«
»Und du?«
Abermals zuckt sie die Achseln: »Sekretärin oder Verkäuferin. Vielleicht lieber Verkäuferin. Später heiraten.«
»Hast du denn schon mit den Eltern gesprochen?«
Sie nickt und sieht gequält aus.
»Na, und was sagen sie dazu?«
»Sie wollen mich nicht zwingen. Wenn ich in der Stellung glücklicher bin — aber hart ist es schon für sie...« Plötzlich nimmt sie den Finger aus dem Mund und streicht sich das Haar aus dem frostroten Gesicht: »Vielleicht bleib’ ich ja auch. Es kommt einen halt manchmal so an. Pfüat di Gott!«
Und damit zieht sie die Strickjacke enger um sich und geht. Ich sehe ihr nach, und das Herz ist mir schwer. Was soll man dazu sagen? Wenn man den Landarbeitern bessere Wohnungen böte und dieselbe Arbeitszeit wie in der Stadt? Dann wären die Bauern, so, wie es jetzt steht, in einem Jahr pleite. Oder man müßte fürs Pfund Butter zehn Mark zahlen. Da würde aber die ausländische Konkurrenz... Na, jedenfalls ein Glück, daß ich nicht Landwirtschaftsminister bin, sondern hier an der Tankstelle stehe und — da ist ja der Erich!
Er geht gerade von den Zapfsäulen zu den Waschboxen. Seine Uniform ist ihm viel zu weit, und es ist ein Glück, daß er so abstehende Ohren hat, sonst würde ihm sicher die Mütze über die Augen rutschen. Als er die eine Waschbox öffnet, sieht er mich, grüßt, nimmt die Mütze ab und läßt mich ein. Drinnen ist es so warm, daß meine Brillengläser beschlagen. Ich hole das Taschentuch heraus und putze sie.
»Na, ist das Wasser vom Chassis abgetropft?« frage ich derweilen.
»Alles abgetropft. Ich habe noch mit ‘nem Tuch nachgeputzt.«
»Sehr gut, Erich. Du weißt, es hat keinen Zweck zu nebeln, bevor das Chassis nicht trocken ist.« Im Augenblick, als ich es sage, fällt mir ein, daß ich ihm das schon mindestens ein dutzendmal auseinandergesetzt habe. Aber er läßt sich nichts anmerken, nickt nur höflich: »Jawohl! Soll ich den Wagen jetzt hochfahren?«
»Bitte, sei so gut.«
Er öffnet das Ventil, und die ölschimmernde dicke Stahlsäule hebt Boxi ächzend in die Höhe. Das ist für mich immer ein erregender Moment. Mit einem Ruck hält die Bühne an, und mein Vehikel schwebt nun über uns. Was ist es doch für eine gewaltige, interessante Maschine! Ich könnte stundenlang stehen und sie begaffen.
»Wollen Sie sich nicht den Kittel vom Paul überziehen? Wär’ schad’ um Ihren Mantel!«
»Gute Idee.«
Er hilft mir in den Kittel, greift dann nach der Spritzpistole. Zielbewußt und ohne zu knausern sprüht er, und bald glänzt die ganze Wagenunterseite mit dem Gestänge im Schimmer des Kriechöls. Ach, tut das dem Boxi gut! Besonders wenn es bald taut und das Schmelzwasser überall herumspritzt und Rost erzeugen will.
»Ich glaub’, das genügt«, sagt Erich. »Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«
»Nein, danke, sehr schön so.« Es tut mir leid, daß er den Wagen nun herunterläßt. War eine friedliche Viertelstunde, so, als hätte ich ein lauwarmes Bad genommen.
Ich drücke Erich eine Mark in die Hand: »Wie geht’s denn zu Hause?«
Er stammt aus einer glücklosen Familie. Die Mutter ist tot, die ältere Schwester vor kurzem mit einem unehelichen Kind heimgekommen. Der Vater, ein nörgelnder, aufbrausender Besserwisser, ist Vertreter für Kurzwaren und hat neulich ausgerechnet den Pfarrer des Nachbardorfes über den Haufen gefahren. Ging gerade noch haarscharf am Gefängnis vorbei. Hauptsächlich, weil der verletzte Pfarrer sich für ihn einsetzte. Den Führerschein haben sie ihm aber entzogen, und jetzt muß er seine Kurzwaren mit dem Rad ausfahren.
»Nicht sehr gut«, sagt Erich. »Der Vater kann ja nicht mehr Auto fahren, Sie wissen doch...«
»Ja, ich weiß. Schafft er’s denn per Rad, jetzt im Winter?«
»Warm halten muß er sich halt sehr, wegen der Nieren. Am liebsten möchte er, daß ich meinen Job hier aufgebe und ihn fahre. Hat aber keinen Zweck, denn soviel verdient er nicht damit.«
»Na, und Elfie, deine Schwester? Könnte sie nicht Aufwartungen annehmen oder überhaupt als Mädchen gehen? Wird doch gut bezahlt heutzutage!«
Er putzt sich die Hände ab und blickt dabei in die graue Helle, die durch die Scheiben strömt. Mit den Linien, die von der Nase zum Mund laufen, und den hohlen Wangen, sieht er nicht wie achtzehn, sondern wie vierzig aus. »Geht leider nicht. Wo soll sie mit dem Kind hin? Das
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