Zweibeiner sehen dich an
nicht an“, piepste sie.
„Dann hör gefälligst auf, hier herumzuschreien“, sagte der Zweifüßler beleidigt und legte ein neues Blatt in die Maschine.
„Ich würde nicht schreien, wenn du mich nicht dauernd ansehen würdest.“
Er sah auf. „Wie soll ich wegsehen, wenn du schreist?“ Außer einem schweren Ton, der mehr einem Keuchen als einem Schreien ähnelte, gab sie diesmal keine Antwort. Der Zweifüßler machte sich wieder an die Arbeit und bemühte sich, die Tasten mit größter Sorgfalt zu berühren. Er schaffte es, fünf Abschnitte der Bibliographie zu schreiben, ohne daß er einen Fehler machte. Dann warf er die Seiten weg und begann noch einmal.
Die Zeit verging. Es dauerte eine Weile, ehe er bemerkte, daß das weibliche Wesen das Zimmer durch quert und an seinem Schreibtisch Platz genommen hat te. Er konzentrierte sich auf seine Arbeit und sah nicht auf. Einige Minuten später hörte er das Geklapper ihrer Maschine. Sie tippte gewandt und schnell. Die Walze klickte gegen den Halt, fuhr zurück und war in einer neuen Zeile.
Der Zweifüßler schlug verärgert härter als beabsichtigt auf eine der Tasten ein und der Buchstabe erschien doppelt. Er riß die Seite heraus.
„Du verdirbst deine ganze Arbeit“, sagte Emma. Er sah auf. Augenblicklich suchten ihre Hände nach ihrem Knopf. Er senkte den Kopf wieder.
„Ich kann nicht anders“, sagte er, „es klappt nicht.“
„Hast du nicht gelernt, wie man ordentlich schreibt?“
„Nein“, sagte er, „– ich meine – doch.“ Der Zweifüßler ballte seine dreifingrige Hand zur Faust. „Ich weiß, wie man eine Schreibmaschine bedient. Aber dieses Ding weiß es nicht. Wie kann ich seine Hände zum Arbeiten bringen?“ Sie starrte ihn mit halbgeöffnetem Mund an. Es war offensichtlich, daß sie nicht eines seiner Worte verstand.
Der Zweifüßler grunzte unwillig und machte sich wieder an seine Arbeit. Nach einem Moment erklang das Geräusch von Emmas Maschine von neuem. Eine ganze Zeit lang sprach keiner. Er versuchte grimmig zu arbeiten und brachte es auch während der nächsten Stunde fertig, eine Seite zu beenden. Als er sie aus der Maschine nahm, legte er sie mit einem Gefühl des Triumphes in den Ausgangskorb. Ein Blick auf den Schreibtisch des weiblichen Zweifüßlers brachte ihn leicht aus der Fassung, als er entdeckte, daß ihr Ausgangskorb angefüllt war mit beschriebenen Seiten und Diktaphonspulen. Ihr Eingangskorb war leer. Sein Rücken und seine Hände schmerzten von der ungewohnten Arbeit, er fühlte sich deprimiert und abgespannt. Wie sollte er seinen Brief, den für ihn so wichtigen Brief beenden, wenn sie dauernd anwesend war? Vielleicht sollte er noch einmal versuchen, sie in Angst zu versetzen wie vorher …
Er dachte seinen Gedanken nicht zu Ende, denn die äußere Tür öffnete sich plötzlich, und Emma schaute erwartungsvoll hoch. Sie deckte die Maschine mit schnellen Bewegungen ab und stand auf. Grück erschien. Hinter ihm stand Wenzel, griesgrämig wie immer, und als letzter erschien der picklige Wärter mit seinem Karren. Grücks Gesichtsausdruck, der bisher freundlich gewesen war, veränderte sich ein wenig, als er den Zweifüßler ansah.
„Bitte“, sagte er und deutete mit der Hand eine Aufwärtsbewegung an. Zu spät begriff der Zweifüßler, was er damit meinte. Er stand auf und stellte sich, wie Emma, neben seinen Schreibtisch.
„Na bitte“, rief Grück fröhlich, „ausgezeichnet! Mit Höflichkeit geht alles besser.“ Er wandte sich Emma zu, prüfte den Inhalt ihres Ausgangskörbchens und strahlte Befriedigung aus. „Fein, Emma“, lobte er, „Gute Arbeit. Du erhältst zum Abendessen zusätzlich drei Bonbons. Hast du verstanden, Rudi?“
„Jawohl, Herr Doktor“, erwiderte Rudi untertänig. Er legte drei Klumpen einer trockenaussehenden, blaßgrünen Substanz auf einen Teller, dessen Inhalt aus einer Art graubraunem Schmorgericht bestand. Er brachte den Teller in Emmas Zimmer und kehrte zurück.
Grück blickte scheinbar verletzt und ungläubig in das Ausgangskörbchen des Zweifüßlers. „Soll das alles sein, Fritz?“ fragte er. „Die Arbeit eines ganzen Morgens? – Natürlich kannst du nicht derart faul gewesen sein!“ Der Zweifüßler murmelte: „Ich habe getan, was ich konnte.“ Grück schüttelte traurig den Kopf. „Keine Bonbons für Fritz heute, Rudi. – Das ist aber ärgerlich, nicht wahr, Wenzel? Der arme Fritz hat sich seine Bonbons heute nicht verdient. – Es tut uns leid,
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