Zweifel in Worten
Gabriels besorgtem Blick versuchte er besser erst gar nicht, mit einer winzigen Portion Müsli auszukommen.
Was er noch weniger wollte als Essen war, Gabriel weitere Sorgen zu bereiten. Das musste aufhören, ein für alle Mal!
Einsames Elend
Sam seufzte kellertief in seine Puddingschüssel und fand selbst, dass das schon echt theatralisch klang. Vor drei Wochen war er im Krankenhaus wieder zu sich gekommen und hatte keinerlei Erinnerungen mehr an die Zeit seines Drogenrausches.
Erst Frank hatte ihm erzählt, dass er zwischendurch aufgewacht sein musste, um sich zu übergeben. Der Gedanke daran hinterließ Scham in Sam. Einmal, weil es ja wohl nur widerlich war, zu kotzen, und einmal, weil er nie zuvor einen solchen Kontrollverlust erlitten hatte. Gerade für ihn war das das Schlimmste und er verstand nun auch glasklar, wieso Frank sich so gegen ein Beruhigungsmittel gesperrt hatte.
Frank ...
Noch ein Seufzen, Sam ließ den Löffel in die Puddingschüssel fallen. Seit mehr als zwei Wochen hatte er kein Wort mehr von Frank gehört, keinen Blick mehr auf ihn geworfen.
„Wenn du so weiter machst, ist die Schüssel gleich wieder voll“, bemerkte Helmi und musterte ihn mitleidig. „Du solltest dir nicht die Augen aus dem Kopf heulen, sondern lieber zu ihm fahren!“
Tja, ein toller Ratschlag, das Problem war nur: Frank war nicht in seiner Wohnung und auch nicht mehr in der Bibliothek. Er hatte gekündigt, sich krankschreiben lassen und war abgetaucht.
Wohin? Das blieb die große Frage.
Gabriel verkroch sich seit Tagen in seinem Büro und weigerte sich, über irgendetwas zu sprechen, das auch nur annähernd mit Frank zu tun hatte. Sam wusste warum. Immerhin gehörte es sich nicht für den Boss von über tausend Mitarbeitern, beim ersten Gedanken an ihren Liebling gleich in Tränen auszubrechen.
Dabei fand Sam das alles andere als albern. Sie liebten Frank doch! Sie wollten ihn bei sich haben.
Aus so unendlich vielen Gründen! Sam seufzte erneut und schob die Schüssel von sich. Helmi hatte recht, der Schokoladenpudding schmeckte bereits salzig und hob seine Stimmung nicht nur deshalb kein Stückchen.
Jede Nachspeise, die Helmi ihm in den letzten Wochen mit einem kleinen, wissenden und sehr liebevollen Lächeln gereicht hatte, schmeckte leer und wertlos. Einfach nicht süß genug, um genossen zu werden.
Dabei wusste Sam sehr genau, dass Helmi die weltbesten Nachtische zauberte.
Er erhob sich und ging ins Büro. Mit jedem Schritt dorthin, über den rotweißen Marmor von Fluren und Eingangshalle, wuchs etwas in ihm. Er konnte es nicht benennen, doch als er die rechte Seite der Doppeltür zum Büro mit Schwung aufschob und sie gegen die Wand krachte, ahnte er es.
Gabriels Blick traf ihn, traurig, nein, niedergeschlagen und hoffnungslos. Sam schluchzte noch einmal auf, aber es war Wut, die ihn dazu brachte.
Hilflose, ohnmächtige Wut.
Frank hatte es getan! Hatte sich einfach so verzogen und noch einmal alle Zelte abgebrochen.
Und Gabriel ...?
„Willst du eigentlich weiterhin dasitzen und so tun, als wäre nichts passiert?!“, fauchte Sam ihn haltlos an. Seine Stimme drohte zu kippen, zu viele Emotionen schwangen darin mit. Zu viele Ängste und Sorgen, zu viel Zorn ob der eigenen Hilflosigkeit.
Gabriel erhob sich und blieb erstaunlich ruhig. Sam wusste seit Jahren, wie beherrscht sein Engel sein konnte, aber gerade jetzt, gerade hier wäre es ihm tausendmal lieber, wenn er einmal so richtig ausrastete. Einmal zurückbrüllte, zeigte, wie beschissen er sich wegen Franks Weggang fühlte!
„Willst du ihn wirklich aufgeben? Ohne jede Erklärung?!“, brüllte er in Gabriels Gesicht, als sie sich gegenüberstanden. Eine Sekunde später brach Sam an Gabriels Brust zusammen und sein Engel hielt ihn einfach wortlos fest. Hände strichen über seinen Rücken, Arme drückten ihn an Gabriels breite Brust. Trotzdem wollte sich das Gefühl von Geborgenheit nicht einstellen.
„Ich liebe dich, agápi mou , so sehr! Aber ich kann und will nicht ohne Frank sein!“
„Das will ich auch nicht, mein Stern. Aber ich kann es doch nicht ändern ... Er hat klar zum Ausdruck gebracht, dass er nichts mehr mit uns zu tun haben will“, drang Gabriels tiefe Stimme an seine Ohren. Ja, das alles wusste Sam doch selbst, aber er wollte es nicht hinnehmen! Niemals.
„Das soll er uns ins Gesicht sagen“, brachte er mühsam hervor und hob den Blick.
„Willst du ihn wirklich suchen und so in Bedrängnis bringen, Sammy? Es war
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