Zweite Chance fuer die Liebe
beschäftigt.
Die ganze Woche über hatte er Lily geflissentlich gemieden und nur das Abendessen gemeinsam mit ihr eingenommen. Dabei war sie jeden Abend so distanziert gewesen, dass sie kaum miteinander gesprochen hatten.
Aber gesehen hatte er sie häufiger – bei ihren langen Spaziergängen durch den Park. Und er hatte ihr melodisches Lachen gehört, als sie Jamie dabei geholfen hatte, die Rosen auszusuchen, die übermorgen bei Jordanas Hochzeit das Haus schmücken sollten.
Dass er sich nicht getraut hatte, zu ihr in den Pool zu steigen, war ernst gemeint gewesen, auch wenn sie ihm nicht glaubte. Denn sein bewusstes Abstandhalten zeigte keinerlei Wirkung. Sein Verlangen, Lily zu berühren und mit ihr zusammen zu sein, hatte keineswegs wie gehofft nachgelassen.
Was in gewisser Hinsicht angsteinflößend war. Emotionen, die er normalerweise ohne Probleme im Zaum hielt, nahmen plötzlich immer mehr Raum ein und ließen ihn alle guten Vorsätze vergessen. Er wusste genau, dass Lily gefährlich war, trotzdem fühlte er sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen – wie die Motte zum Licht. Irgendein instinktives Bedürfnis in ihm übernahm die Führung und setzte Vernunft und Logik außer Kraft.
So wie jetzt. Mit der Sherry-Karaffe in der Hand trat er an ihre Seite. „Kann ich dir nachschenken?“
„Nein, danke. Ich sollte zu Bett gehen.“
Schweigend ignorierte er ihr Zögern, bis sie ihm das fast leere Glas hinhielt.
„Einer mehr wird wohl nicht schaden.“
Er setzte sich wieder und stellte die Karaffe neben seinen Sessel. Er hätte nicht sagen können, was genau er vorhatte, wusste nur, er wollte nicht, dass Lily sich schon zurückzog. Er lehnte sich zurück und musterte sie, wie sie an dem Sherry nippte. Sie sah wunderschön aus, mit dem lockeren Pferdeschwanz, ungeschminkt, die Beine untergezogen. Die Luft zwischen ihnen knisterte genau wie das Feuer, und ihre geröteten Wangen sagten ihm, dass sie es auch spürte. Sie war ihm nie schöner als in diesem Moment erschienen. Und nervöser. Er fragte sich, was sie tun würde, wenn sie die Szenen sähe, die in seinem Kopf abliefen.
Um sich abzulenken, sagte er: „Ich habe gesehen, dass du jeden Tag durch den Park spazierst.“
„Oh ja.“ Begeisterung ließ ihr Gesicht aufleuchten. „Es ist so schön hier. Du kannst dich glücklich schätzen, ein solches Anwesen zu besitzen. So still und friedlich, wie es hier ist, fühlt man sich sofort wie im Urlaub. Besonders gefällt mir, dass deine Familie den Wald unberührt gelassen hat.“
All die Dinge, die auch er an der Abbey mochte! „Früher wurden hier Treibjagden abgehalten.“
„Verdirb den guten Eindruck nicht.“ Sie verzog den Mund, und er lachte.
„Keine Angst, von der jetzigen Generation der Garretts hat Bambi nichts zu befürchten.“
Sie lächelte, fast schüchtern. „Das ist beruhigend.“
„Ich bin ja nur so selten hier“, witzelte er.
„Du verdirbst es schon wieder. Aber das glaube ich dir sowieso nicht.“
„Setzen wir uns vor den Kamin?“ Er konnte selbst kaum fassen, dass er das vorschlug. War er denn wahnsinnig?
Sie ließ sich mit ihrem Glas auf dem dicken Teppich nieder, während er mit dem Schürhaken in der Glut stocherte.
„Wie ist das eigentlich, wenn man in deiner Welt aufwächst?“, fragte sie.
Tristan erzählte nicht gern von sich, aber es war schließlich sein Vorschlag gewesen, sich vors Feuer zu setzen. Da konnte er ihre Frage schlecht ignorieren.
„Sehr behütet, manchmal langweilig, eigentlich nicht viel anders als in anderen Familien, sieht man mal von den Privilegien ab, die der Titel mit sich bringt. Damit kommt allerdings auch eine Verantwortung. Ich persönlich sehe mich ein bisschen als Hüter der Geschichte. Man wird als Adeliger geboren, aber das bedeutet weit mehr als nur Besitz und Reichtum. Dieses Haus zum Beispiel – es ist Teil von etwas, das viel größer ist. Ich habe das Glück, dass ich mich darum kümmern darf, aber in gewisser Weise gehört es nicht mir, sondern allen.“
„Hast du die Abbey deshalb der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?“
„Das ist ein Grund, ja. Die Leute wollen mehr über die Geschichte ihres Landes erfahren, und meine Vorfahren haben über die Jahrhunderte viele Kunstschätze angesammelt. Diese Schätze sollten nicht nur ein paar Privilegierten vorbehalten bleiben.“ Er zögerte. „Vor allem, wenn ihnen gar nicht klar ist, was sie da besitzen.“
„Meinst du damit Leute, die ihr Erbe nicht zu würdigen
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