Zwergenbann: Roman
Menschen und ihre Städte sind ebenso in Gefahr. Nachdem wir unser Heer abgezogen haben, werdet Ihr Euch morgen früh nach Clairborn zu Bürgermeister Sindilos und Obrist Valutus begeben und ihnen berichten, was geschehen ist. Sie müssen vor der Gefahr gewarnt werden. Spätestens übermorgen wird auch die lartronische Armee Clairborn erreichen. Möglicherweise erweist sich ihr Eintreffen sogar als Segen für uns. Wenn wir scheitern, müssen sie versuchen, die Dunkelelben aufzuhalten. Sprecht auch mit dem Befehlshaber der Armee und versucht ihn zu überzeugen, mit uns in die Schlacht zu ziehen. Gemeinsam kann es uns vielleicht gelingen, die Dunkelelben zu bezwingen!«
26
UDAN
Verglichen mit der kurzen Zeit, die sie in Radon verbracht hatten - natürlich abgesehen von dem Teil, der zum Finsterwald gehörte -, kam Warlon die Reise durch Udan schier endlos vor. Natürlich hätten sie ohne die Hilfe der Nymphen auch viele Wochen benötigt, um Radon zu durchqueren, wenn sie es überhaupt geschafft hätten, wessen er sich inzwischen längst nicht mehr sicher war. Die Erinnerung an Malcorion schien dort noch sehr lebendig, sein Aussehen den Leuten noch sehr vertraut zu sein.
In Udan spielte das keine Rolle mehr, und zumindest während der ersten beiden Wochen wäre es sowieso ohne Bedeutung gewesen. Wie Malcorion ihnen schon vorher erklärt hatte, war das Land nur dünn besiedelt, aber während der ersten sechzehn Tage stießen sie auf kein einziges Gehöft oder gar eine Ortschaft, und das nicht etwa, weil sie diese wie in Radon bewusst zu meiden versuchten.
Ganz im Gegenteil, sie wären sogar froh gewesen, bewohntes Gebiet zu erreichen. Mit dem gestohlenen Fuhrwerk hatten sie in Radon eine Strecke zurückgelegt, für die sie zu Fuß viele Wochen benötigt hätten. Ihr vordringliches Ziel war deshalb, sich auch in Udan einen Wagen zu besorgen, aber dafür mussten sie zunächst einmal auf Bewohner Udans treffen. Da Malcorion noch nie in diesem Teil des Landes, unmittelbar nördlich der Weißberge, gewesen war und sich daher nicht auskannte, konnte auch er ihnen in dieser Hinsicht nicht weiterhelfen.
Dafür gelang es ihm jedoch, eines der großen, etwas an Luanen erinnernden Tiere zu erlegen, die in wilden Herden über das
Land zogen. Sie brieten das Fleisch und konnten so ihre Vorräte auffüllen, sodass sie wenigstens keinen Hunger zu leiden brauchten. Auch wucherten vielerorts Sträucher mit großen roten Beeren, die sich als sehr schmackhaft erwiesen, als sie sie auf den Rat des Waldläufers hin probierten, und auch nach dem Pflücken noch mehrere Tage genießbar blieben, ehe sie matschig wurden.
Einen weiteren großen Unterschied gab es zwischen Udan und Radon oder auch Lartronia: Das war der Wind. Schon bald, nachdem sie die Weißberge verlassen und flaches Land erreicht hatten, wurde ein stark wehender Ostwind zu ihrem ständigen Begleiter. Anfangs hatte Warlon ihm nicht viel Bedeutung beigemessen und erwartet, dass sich das Wetter bald ändern würde, doch das war nicht der Fall. Bei Tag und Nacht wehte der Wind mit nahezu unverminderter Kraft, und auch wenn er nicht allzu kalt war, war er doch unangenehm, trieb ihnen die Tränen in die Augen und blies durch ihre Kleidung. Obwohl es Sommer war, drang die Sonne nur selten durch die Wolken, die den Himmel ständig bedeckten, aber wenigstens regnete es auch kaum.
Obwohl sie nur knapp zwei Tage im Inneren der Weißberge verbracht hatten, hatten diese ihnen die Erinnerungen an das Leben in der Tiefenwelt wieder so stark zurückgebracht, dass es ihnen nun erneut schwerfiel, sich wieder an die Oberfläche zu gewöhnen. Für Udan mit seiner schier endlosen Weite, wo der Blick in jeder Richtung bis zum Horizont reichte, galt das besonders. Die Zwerge fühlten sich dieser Weite nackt und schutzlos ausgeliefert.
Einzig Malcorion war froh, dass sie sich wieder im Freien befanden, auch wenn er es nicht aussprach. Umgekehrt hatte nur er sich unter der Erde ziemlich unwohl gefühlt.
Schließlich erreichten sie einen Landstrich, wo es zumindest vereinzelte, weit voneinander entfernt liegende Gehöfte gab. Vermutlich aufgrund der Weite und der großen Entfernungen zwischen den Siedlungen erwies sich Udan als ein Land, in dem Gastfreundschaft groß geschrieben wurde, ganz wie Malcorion
behauptet hatte. Wo immer sie an eine Tür klopften, wurden sie nach nur kurzem anfänglichen Misstrauen herzlich empfangen. Meist bot man ihnen bereitwillig ein Nachtlager oder zumindest eine
Weitere Kostenlose Bücher