Zwergenbann: Roman
Angreifer presste dem Verwundeten die Hand auf den Mund und erstickte so seinen Schrei, die anderen drangen auf Orwan ein. Jemand packte den Stil seiner Axt dicht unterhalb der Klinge, sodass er sie nicht mehr schwingen konnte. Er versetzte dem Unbekannten einen wuchtigen Tritt, doch eisern hielt dieser die Waffe umklammert. Statt weitere kostbare Sekundenbruchteile
damit zu verschwenden, sie frei zu bekommen, ließ Orwan sie los und griff nach seinem Schwert.
Er kam nicht dazu, die Bewegung zu Ende zu führen. Ein Hieb mit einem Knüppel traf ihn an der Schulter. Greller Schmerz zuckte durch seinen Arm und lähmte ihn. Gleich darauf fegte ihm ein Schlag von hinten seinen Helm vom Kopf, dann traf etwas seinen Hinterkopf mit so vernichtender Wucht, dass er augenblicklich das Bewusstsein verlor.
»Bitte, Tharlia, wann werden wir uns wiedersehen?« Hoffnungsvoll blickte Lamar sie an. »Und ich meine nicht zu einer offiziellen Audienz mit einem offiziellen Termin in diesen offiziellen Amtsräumen des Palastes, sondern in … in einem ungezwungeneren Rahmen.«
»Aber Ihr wisst doch, wir müssen vorsichtig sein«, erwiderte sie und senkte den Blick, wobei sie nur mühsam den Ärger unterdrückte, der immer stärker in ihr aufwallte. »Dies ist nicht die Zeit, an persönliche Gefühle zu denken. Das Volk leidet und erwartet zu Recht, dass seine Königin sich mit all ihrer Kraft für seine Belange einsetzt. Es hätte kein Verständnis dafür, wenn ich mich stattdessen ausgerechnet jetzt in eine Romanze stürzen würde.«
Eine Romanze, zu der sie auch nicht die geringste Lust verspürte, obwohl sie sich nach Kräften bemühte, sich das nicht anmerken zu lassen. Am liebsten hätte sie Lamar noch viel offizieller im Thronsaal empfangen, aber damit hätte sie ihn zu offensichtlich vor den Kopf gestoßen, und deshalb hatte sie dieses angrenzende Zimmer gewählt, in dem sie sich zumeist mit ihren Beratern besprach.
»Aber so geht das jetzt schon seit Monaten. Ich habe allmählich das Gefühl, Ihr haltet mich mit Absicht hin«, stieß er vorwurfsvoll hervor. »So habe ich mir das gewiss nicht vorgestellt, als ich Euch half, den Thron zu besteigen.«
»Ich auch nicht, ganz bestimmt nicht. Aber wer konnte zu diesem
Zeitpunkt denn schon erahnen, wie finster unsere Zukunft sein würde? Alle Augen sind in diesen schweren Wochen und Monaten auf mich gerichtet. Ihr müsst einfach begreifen, dass ich alles Private zunächst einmal hintanstellen muss.«
Tharlia hoffte, dass er den leicht ungeduldigen Ton in ihrer Stimme nicht bemerkte. Allmählich begann Lamar, der durch den frühen Tod seines Vaters schon in viel zu jungen Jahren zum Oberhaupt des mächtigen Hauses Tarkora geworden war, sich zu einem echten Problem zu entwickeln. Er war ein verwöhnter, reicher Bengel, der es gewohnt war, alles zu bekommen, was er begehrte.
Und was er am meisten begehrte, war sie.
Schon seit langem war er in sie verliebt, aber es war eine einseitige Liebe ohne Hoffnung gewesen, da Priesterinnen der Li’thil keine Beziehung zu einem Mann eingehen durften. Das hatte sie sich zunutze gemacht und sich seine Unterstützung gesichert, als sie die Hand nach der Königswürde ausgestreckt hatte, und ohne seine Hilfe wäre es ihr vermutlich nicht gelungen, den Thron zu besteigen. Um Unvoreingenommenheit dem gesamten Volk gegenüber zu gewährleisten, stand ein König außerhalb aller früheren sozialen Bindungen, verlor seine Titel, seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Haus und einer Kaste - in ihrem Fall also auch zum Orden der Priesterinnen, sodass sie sich nun auch einen Gemahl suchen könnte. Damit hatte sie Lamar Hoffnung gemacht, doch allmählich begann er immer stärker auf ein Entgegenkommen ihrerseits für seine Hilfe zu drängen.
Allmählich bereiteten seine Forderungen ihr echte Schwierigkeiten, denn Tharlia dachte nicht im Entferntesten daran, irgendeine Art von Bindung mit ihm einzugehen oder ihn gar zu heiraten. Er war ein netter und gut aussehender junger Mann, aber mehr auch nicht; ein verwöhnter und langweiliger Schönling. Sie hegte keinerlei Gefühle für ihn, weshalb sie ihn zu vertrösten und hinzuhalten versuchte, aber es war ein riskantes Spiel. Kaum etwas konnte so gefährlich werden wie ein verschmähter Verehrer,
und ihre Herrschaft war keineswegs gefestigt. Sie konnte es sich nicht leisten, ein so mächtiges und reiches Haus wie Tarkora gegen sich aufzubringen.
Wie es aussah, drohte sie sich mit Verspätung nun
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