Zwergenbann: Roman
doch in den Fallstricken ihrer eigenen Intrige zu verfangen, wenn sie nicht aufpasste.
»Unter diesen Umständen müssen wir also einen Rahmen schaffen, der einerseits offiziell ist, uns zugleich aber auch die Gelegenheit bietet, einander in privater Umgebung zu treffen, ohne Argwohn zu erregen«, unternahm er einen neuen Anlauf. »In ein bis zwei Wochen dürfte der Haupttrakt des neuen Heims meiner Familie fertiggestellt sein. Ich denke, das wäre ein geeigneter Zeitpunkt für das Haus Tarkora, ein Fest zu veranstalten, zu dem freilich auch die Königin geladen wird.« Seine Augen begannen zu strahlen. »Ein formeller Anlass, und doch werden wir miteinander tanzen und uns persönlich näherkommen können. Das ist eine fantastische Idee!«
Für Tharlia klang es eher nach einer absolut schrecklichen Idee, von seinem Eigenlob gar nicht erst zu reden, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
»Wunderbar«, log sie. »Ich freue mich schon darauf.« Ungefähr so, wie auf einen möglichen Durchbruch der Dunkelelben an die Oberfläche , fügte sie in Gedanken hinzu, schaffte es aber, ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. »Aber nun müsst Ihr wirklich gehen. Es ist schon spät. Ich bin müde und habe auch morgen wieder einen anstrengenden Tag vor mir.«
»Sicher, das verstehe ich. Ich werde unverzüglich mit den Vorbereitungen für das Fest beginnen, damit es dem Anlass auch gerecht wird.«
Er verneigte sich vor ihr und eilte davon. Tharlia seufzte erleichtert, als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Zumindest hatte sie wieder einige Tage Zeit gewonnen, auch wenn sie dieses Problem nicht auf Dauer vor sich her schieben konnte.
Sie verließ den Saal durch eine andere Tür, die in ihre privaten Räume führte. Nachdem sie ihren Dienern Anweisung gegeben hatte, sie nur im äußersten Notfall zu stören, zog sie sich direkt in ihr Schlafgemach zurück.
Sie fühlte sich tatsächlich müde wie schon lange nicht mehr und hatte beschlossen, ausnahmsweise einmal eine ganze Nacht lang durchzuschlafen; ein Luxus, den sie sich seit ihrer Krönung und vor allem der Flucht aus Elan-Dhor viel zu selten gegönnt hatte. Irgendetwas hatte es in dieser schwierigen Situation als Oberhaupt des Zwergenvolkes für sie immer zu planen und zu erledigen gegeben, und da hatten die Bedürfnisse ihres Körpers hintanstehen müssen.
Als ehemalige Hohepriesterin der Li’thil war sie in der Lage, auch längere Zeit mit wenig oder sogar keinem Schlaf auszukommen und sich stattdessen lediglich für zwei oder drei Stunden pro Tag in eine meditative Trance zu versetzen. Eine solche Trance vertrieb die Müdigkeit und erhielt ihre geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, aber auf Dauer trieb sie damit Raubbau an ihren Kräften. Immer häufiger und in immer kürzeren Abständen fühlte sie sich erschöpft. Wenn sie nicht mehr Rücksicht auf sich nahm, würde sie irgendwann einfach zusammenbrechen.
Tharlia kleidete sich aus, legte sich ins Bett und bemühte sich, jeden Gedanken an Lamar und die unzähligen anderen Probleme, die sie belasteten, zu verdrängen, aber sie war zu aufgekratzt, um Schlaf zu finden. Erst als sie mit einer leichten Meditation nachhalf, gelang es ihr endlich.
Vor Erschöpfung schlief sie tief und traumlos. Zumindest konnte sie sich an keine Träume erinnern, und sie hatte auch keinerlei Gefühl dafür, wie lange sie geschlafen hatte und wie spät es war, als sie durch ein lautes Klopfen an der Tür geweckt wurde. Ihre innere Uhr war völlig durcheinandergeraten.
Mühsam widerstand sie dem Impuls, sich einfach auf die andere Seite zu drehen, die Decke über den Kopf zu ziehen und
das Klopfen schlichtweg zu ignorieren, um so schnell wie möglich wieder einzuschlafen. Aber nachdem sie ausdrücklich entsprechende Anweisungen erteilt hatte, würde man sie nicht zu stören wagen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Widerwillig setzte sie sich auf, gähnte herzhaft und rieb sich den Schlaf aus den Augen, während sie versuchte, einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen.
»Komm herein!«, rief sie dann. Loina, ihre persönliche Leibdienerin, betrat mit einem Lämpchen in der Hand den Raum und verneigte sich tief.
»Bitte verzeiht die Störung, Majestät«, sagte sie, noch immer mit gebeugtem Oberkörper. »Aber der ehrenwerte Kriegsmeister Loton ist hier und sagt, er müsse Euch dringend -«
»Schon gut. Wie spät ist es?«, fiel Tharlia ihr ins Wort, schwang die
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