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Zwergenbann: Roman

Zwergenbann: Roman

Titel: Zwergenbann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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schwindlig, immer rund um die Säule zu gehen, und jedes Mal, wenn Barlok den Kopf in den Nacken legte und nach oben schaute, meinte er, noch kaum vorwärtsgekommen zu sein. Wohl jeder von ihnen hatte mittlerweile das Gefühl, den Sog der Tiefe wie mit unsichtbaren Händen an sich zerren zu spüren.
    Auch das anstelle eines Geländers gespannte Seil war wenig hilfreich. Als Barlok daran zerrte, riss es fast sofort von den Metallpfeilern ab und zerbröckelte zwischen seinen Fingern. Wenn einer von ihnen das Gleichgewicht verlor und einen Fehltritt machte, würde es ihm keinerlei Halt gewähren.
    Barlok bemühte sich nach Kräften, nicht in die Tiefe zu blicken, sondern betrachtete stattdessen die Verzierungen der Säule. Über ihre gesamte Länge hinweg war sie bearbeitet. Mit einer mittlerweile längst vergessenen Kunstfertigkeit hatten Zwergenhandwerker Linien in den Stein gemeißelt, die dessen natürliche Beschaffenheit stärker herausarbeiteten und je nach Betrachtungswinkel das Licht unterschiedlich brachen und dem Fels verschiedene Färbungen verliehen. Die Linien bildeten Muster, doch auch diese veränderten sich bei jedem Schritt, manchmal schon bei jeder kleinen Bewegung des Kopfes.
    Ganze Generationen von Zwergen mussten damit beschäftigt
gewesen sein, diese Säule zu bearbeiten, und es war nur eine von mehreren Dutzend allein in dieser Halle …
    Je länger sich Barlok auf die Linien und Muster konzentrierte, desto leichter schien ihm der Abstieg zu fallen. Es war fast, als würde er schwerelos über die Stufen gleiten. Rasch begriff er, dass es sich nicht um einen Zufall handelte. Die Kunstfertigkeit der Zwerge war hier in Zarkhadul wohl noch sehr viel größer gewesen, als er zunächst geglaubt hatte.
    »Seht die Säule an!«, befahl er. »Konzentriert euch auf die Muster.«
    Der Abstieg wurde nicht nur leichter, sie kamen auch wesentlich schneller voran. Ursprünglich hatte er vorgehabt, auf halber Strecke eine Rast einzulegen, doch erwies sich das als völlig unnötig.
    Je tiefer sie kamen, desto weniger konnte Barlok allerdings dem Drängen widerstehen, sich in der Halle umzusehen, auch wenn er es damit bezahlen musste, wieder jeden Schritt zu spüren. Den anderen erging es ebenso. Immer wieder gerieten Einzelne von ihnen aus dem Tritt, wenn sie dem Verlangen nachgaben, sich umzusehen, wodurch sie sich selbst und auch die Nachfolgenden gefährdeten.
    Als sie das untere Viertel der Säule erreichten, gab er schließlich den Befehl zum Halten, damit sie sich alle gründlich umschauen konnten. Von hier unten wirkten die Ausmaße der Höhle noch viel gigantischer als aus der Höhe. Die Wände schienen endlos nach oben zu ragen, und die Säulen, die sich nach unten hin ohnehin verdickten, wirkten noch titanischer.
    Hier, in der Tiefe, waren viele von ihnen durch geschwungene Brücken und Laufstege miteinander verbunden. Manche Brücken, die größere Abgründe überspannten, wurden ihrerseits durch gemauerte Zwischenpfeiler gestützt, die teilweise Dutzende Meter hoch waren.
    Viele dieser Brücken führten zu den Höhlenwänden, sodass die Gerüste auf den einzelnen Ebenen leicht zu erreichen waren.
Einem Angehörigen eines anderen Volkes wäre das sinnverwirrende Durcheinander von Trägern und Balken, das die Wände zu einem großen Teil bedeckte, vielleicht wie ein wucherndes Geschwür erschienen. Für einen Zwerg hingegen waren die Förderanlagen eher wie die Einfassung eines wertvollen Edelsteins. Ein Triumph zwergischen Könnens und Einfallsreichtums, um dem Berg seine verborgenen Schätze zu entreißen.
    Vieles kannte er zumindest in ähnlicher Form auch aus Elan-Dhor, doch kamen ihm die dortigen Anlagen nun wie Miniaturmodelle vor, während hier alles ins Riesenhafte übersteigert war, und das betraf nicht nur die Dutzende von Metern überspannenden Gerüste selbst.
    Er sah gewaltige Zahnräder, größer als ein Haus, gigantische Gewinde, Flaschenzüge mit mannsdicken Ketten und Seilen, an denen Förderkörbe in die Höhe und die Tiefe bewegt werden konnten, in denen sein gesamter Trupp zehnfach Platz gefunden hätte. Die Ausbeute der Schürfarbeiten hier musste immens gewesen sein.
    Natürlich waren sie nicht alle unbeschädigt. An manchen Stellen waren Teile der Gerüste zerbrochen oder sogar ganz eingestürzt, und von hier aus konnte Barlok auch sehen, dass die Verwüstungen am Boden der Halle noch viel größer waren, als von oben zu erkennen. Viele der Gebäude lagen in Trümmern,

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