Zwergenbann: Roman
schon in der Nähe der Grenze zu Udan.«
»Goldwüste?«, hakte Warlon nach.
»Keine falschen Hoffnungen, sie heißt nur wegen der Farbe des Sandes so. Und etwas anderes gibt es dort auch nicht, nichts als Sanddünen, so weit der Blick reicht. Über hundert und mehr Meilen kein Grashalm und kein Tropfen Wasser.«
»Dann sollten wir den Nymphen wohl gleich doppelt dankbar sein, dass sie uns hierhergebracht haben, auch wenn ich immer noch nicht begreife, wie das möglich war. Sie haben uns eine gefahrvolle Reise durch Radon erspart und außerdem noch diese Goldwüste.«
»Auch wenn es sie nicht interessiert hat, was du über unsere Mission erzählt hast, so hat sich ihnen anscheinend wohl zumindest eingeprägt, dass wir zu den Elben unterwegs sind«, überlegte Ailin. »Und so haben sie uns den Weg erheblich abgekürzt. Noch weiter war es ihnen vermutlich nicht möglich.«
»Das könnte hinkommen«, entgegnete Malcorion. »Wie schon der Name Waldfeen besagt, sind sie Geschöpfe des Waldes, und der Forst von Calemborn ist das letzte Stück Wald auf unserer Reise. In Udan erwartet uns fast nur noch karge Steppe, und danach schließlich die eisigen Einöden, wohin sich die Elben zurückgezogen haben.«
»Nur schade, dass sie kein Waldgebiet als Exil gewählt haben«, murmelte Warlon.
Sie verließen den Schatten des Waldes und schlugen einen großen Bogen um Mirn. Auch anschließend mieden sie die vereinzelten Gehöfte und überhaupt alles bestellte Land, ebenso wie die Straßen. Stattdessen wanderten sie querfeldein über die Wiesen, um die Gefahr einer Entdeckung so gering wie möglich zu halten.
Eine leichte Brise wehte, und nach der langen Zeit in der stickigen Schwüle des Finsterwalds genossen sie die frische Luft um sich herum und sogar den Sonnenschein auf ihren Gesichtern. Während Warlon die Hitze und das grelle Licht zu Beginn dieser Expedition regelrecht gehasst hatte - schließlich hatte er die Sonne zuletzt als Kind gesehen -, hatte er sich mittlerweile daran gewöhnt und sie im Finsterwald sogar fast vermisst.
Immer wieder irrte sein Blick zu Ailin. In vielen Träumen der vergangenen Nacht war sie an seiner Seite gewesen und hatte mit ihm die fantastischen Prachtlandschaften bewundert. Seit er ihr zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ihn beeindruckt, und das nicht nur durch ihren Mut, ihre Zähigkeit und ihr unerwartetes Können im Schwertkampf, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass Priesterinnen auch darin unterrichtet wurden.
Vor allem waren es die Anmut und Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen gewesen, ihr Humor und ihre mitfühlende Art, die in ihm tiefere Gefühle für sie aufkommen ließen. Hinzu kam noch ihre Schönheit, obwohl er ihr Gesicht erst mit Beginn dieser Expedition erstmals gesehen hatte. In Elan-Dhor trugen die Priesterinnen in der Öffentlichkeit stets Schleier, doch für diese Mission war sie von dieser Pflicht entbunden worden.
Sosehr der Anblick ihres Gesichts und ihrer ausdrucksstarken dunklen Augen Warlon auch vom ersten Moment in seinen Bann geschlagen hatte, machte er zugleich alles für ihn noch schwieriger. Die Gefühle, die er für sie empfand, konnten nur zu Leid und Enttäuschung führen. Sie war eine Priesterin Li’thils, ihr Leben war allein der Göttin gewidmet. Obwohl er zu spüren glaubte, dass auch sie etwas für ihn empfand, durfte er von ihr nicht mehr als Freundschaft erwarten.
Mit aller Macht hatte er seine Gefühle für sie in den letzten Wochen deshalb verdrängt, sie in den hintersten Winkel seines Verstandes verbannt. Durch die Träume aber, die die Nymphen ihnen geschenkt hatten, waren diese Gefühle wieder angefacht worden. Warlon fragte sich, ob er vielleicht auch in ihren Träumen vorgekommen war, bemühte sich aber gleich, diese bittersüßen Gedanken erneut zu verdrängen, so gut es ihm möglich war.
Gelegentlich entdeckten sie in der Ferne Menschen, Reisende wie sie oder Arbeiter auf dem Feld, doch selbst dies beunruhigte Malcorion bereits.
»Wir erregen Aufsehen«, meinte er. »Genauer gesagt: Ihr erregt Aufsehen. Aus dieser Entfernung erkennt mich natürlich niemand, aber man sieht, dass ihr keine Menschen seid, und es ist lange her, dass zuletzt Zwerge durch diese Lande zogen. Man wird darüber tuscheln, und da dies ein so seltenes Ereignis ist, wird man möglicherweise sogar Reiter ausschicken, um uns nach unserem Ziel und den Angelegenheiten zu fragen, die uns herführen. Und die werden mich bestimmt erkennen.«
»Es ist uns doch
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