Zwergenfluch: Roman
Angst, sondern stärkte ihn, verankerte die Erinnerung an das in ihm, wofür er kämpfte und sein Leben aufs Spiel setzte.
Diesmal jedoch verspürte er nicht nur ein vages Unbehagen, sondern tatsächliche Furcht, auch wenn er ihr nicht gestattete, Macht über sich zu gewinnen. Diesmal wusste Warlon, dass er auf dem Weg war, in einen Albtraum zurückzukehren, dem er am vergangenen Tag nur mit knapper Not entronnen war, und dass seine Chancen auf eine Rückkehr alles andere als gut standen.
Er warf einen Blick zum Dunkelturm hinüber, der sich fast am anderen Ende der Stadt wie ein schwarzer, mehr als ein Dutzend Stockwerke hoher Schattenriss erhob. Es war nicht fair, sich zu wünschen, dass sein Freund und väterlicher Mentor sich ebenfalls in die Gefahr begäbe, dennoch würde er sich zumindest ein bisschen wohler fühlen, wenn sich Barlok bei ihnen befände. Warlon ertappte sich sogar dabei, dass er ihn für einen kurzen Moment darum
beneidete, wegen seiner Verletzung zurückbleiben zu können. Erschrocken und beschämt verdrängte er diesen Gedanken sofort wieder.
Auf Befehl Farlians marschierten sie in strenger Paradeformation in Zweierreihen und im Gleichschritt. An der Spitze der Kolonne stolzierte der Thronfolger wie ein Geck daher. Das blonde, sorgsam geflochtene Haar fiel ihm über die Schultern. Huldvoll grüßte er die Zwerge, die ihnen begegneten und Zeuge ihres Marsches wurden. Sein fraglos empfundenes Bedauern, dass es nur ziemlich wenige waren, ließ er sich nicht anmerken. Sicherlich hätte er sich eine große Menge gewünscht, die die Straße säumte und ihm zujubelte.
An seiner Seite schritt die Weihepriesterin Li’thils, die die Expedition auf Befehl des Königs begleitete. Sie trug ein langes, schwarzes Gewand, ihr Gesicht war von einem gleichfalls schwarzen Schleier verhüllt, wie es üblich war, wenn sich eine Priesterin ihres Ranges in der Öffentlichkeit zeigte. Zusätzlich hatte sie sich mit einem Schwertgehänge gegürtet, das an ihr gänzlich deplatziert wirkte und wohl höchstens zeremonielle Bedeutung besaß.
Zu seiner Verärgerung hatte Warlon erst kurz vor dem Aufbruch von ihrer Teilnahme erfahren. Bei den Beratungen mit Farlian hatte dieser es nicht für nötig befunden, sie auch nur mit einem Wort zu erwähnen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt zweifellos schon davon gewusst hatte. Ihm dies zu verschweigen, war eine beabsichtigte Provokation, um ihm bewusst zu machen, wie wenig er bei dieser Expedition zu sagen hatte. Immerhin, wenn es stimmte, was man über ihre Fähigkeiten munkelte, dann mochte ihre Anwesenheit von erheblichem Nutzen sein.
Sie erreichten das südliche Stadttor, dessen mächtige
Portale vor ihnen geöffnet wurden und dumpf wieder zuschlugen, nachdem ihre Kolonne das Tor passiert und Elan-Dhor damit verlassen hatte. Für Warlon klang es fast wie ein Sargdeckel, der geschlossen wurde.
Vor dem Tor erstreckte sich die riesige Halle der Helden, deren Dach in der Mitte der Höhle von zwei Reihen von Säulen gestützt wurde, die so mächtig waren, dass sich fünf Zwerge hätten an den Händen halten müssen, um eine von ihnen zu umfassen. Sie durchquerten die Halle und tauchten in einen breiten, gut ausgebauten Stollen ein. Jeder vierte Zwerg trug eine Fackel oder Lampe, sodass ihre Umgebung in helles Licht getaucht wurde. Warlon hätte es nicht einmal benötigt. Er war diese ausgetretenen Stollen, in denen selbst die Wände schon von unzähligen Berührungen geglättet waren, schon so oft entlanggegangen, dass er sich vermutlich auch in völliger Dunkelheit zurechtgefunden hätte. Da es nun niemanden mehr gab, den sie beeindrucken konnten, gestattete Farlian ihnen, die unsinnige Marschordnung aufzulösen.
Nach einiger Zeit gelangten sie an eine steinerne Treppe, über die ihr Weg in die Tiefe führte. Immer wieder erreichten sie Absätze, von denen Stollen abzweigten. Die meisten führten in längst stillgelegte Minenabschnitte. Hier, in unmittelbarer Nähe Elan-Dhors, hatten ihre Vorfahren einst zu schürfen begonnen. Die Stollen galten als ausgebeutet, und nur wenige wurden noch weiter vorangetrieben, in der Hoffnung, vielleicht doch noch auf bislang unentdeckte Erze oder andere Kostbarkeiten zu stoßen. Die meisten Schürfarbeiten fanden inzwischen wesentlich tiefer statt.
Die Treppe war direkt aus dem Fels gemeißelt worden. Die Stufen passten sich dem natürlichen Verlauf des Gesteins an, sodass sie ungleichmäßig hoch und durch die
Stiefeltritte unzähliger
Weitere Kostenlose Bücher