Zwergenfluch: Roman
Expedition begleitet, und Hohepriesterin Tharlia hat mich ausgewählt. Vielleicht, weil ich die Jüngste bin und erst vor einem Jahr in den inneren Zirkel aufstieg, sodass sie am ehesten auf mich verzichten kann«, fügte sie bitter hinzu. Es war das erste Mal, dass ihre Maske aus Unnahbarkeit Risse bekam.
»Keiner von uns sollte hier sein«, murmelte Warlon. »Dieses Unterfangen ist ein Wahnsinn, und ich weiß, wovon ich spreche. Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr die Gegenwart eines fremden Wesens spüren könnt, selbst wenn es unsichtbar ist?«
»Ich bin mir zumindest ziemlich sicher. Allerdings hat Tharlia mich auch gewarnt, dass die Fremden starke magische Kräfte besitzen. Damit könnten sie unter Umständen meine Fähigkeiten blockieren.«
Durch den Schleier hindurch konnte Warlon nicht einmal erahnen, ob sie Angst hatte, und ihre Stimme klang gleichmütig und gab keine Gefühlsregungen preis. »Hoffen wir, dass es nicht so ist. Das ist unser einziger Vorteil gegenüber dem letzten Kampf.«
»Wir werden sehen. Aber lasst uns jetzt nicht länger darüber reden. Dies ist Shain-Dalara , ein heiliger Ort, an dem nicht über Krieg und Tod gesprochen werden sollte.«
Warlon respektierte ihren Wunsch, und eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Immerhin schien Ailin gegen seine Gegenwart nichts mehr einzuwenden zu haben. Er fragte sich, ob sie wusste, wie knapp dieser heilige Ort einst der Zerstörung entgangen war. Als die ersten Zwerge die Höhle vor Jahrhunderten entdeckt hatten, hatten sie darin nichts Heiliges gesehen, sondern nur eine Art Schatzkammer, die es dem Naturell ihres Volkes entsprechend auszubeuten galt. Rasch jedoch hatte sich erwiesen, dass es sich nicht um Edelsteine handelte. Immerhin aber ließen sich auch aus dem im Grunde wertlosen Kristall noch Verzierungen für den Königspalast und andere Bauten Elan-Dhors herstellen, vor allem aber hübsche Schmuckstücke. Keine echten Schätze, sondern nur billiger Tand, doch vor allem die Menschen schienen ihn zu lieben und waren bereit, dafür zu bezahlen. Noch bevor der Abbau in großem Maße begann, stellte sich jedoch heraus, dass die herausgebrochenen Kristalle so wenig dauerhaften Bestand hatten wie abgepflückte Blumen. Schon nach wenigen Tagen wurden sie porös und glanzlos, zerfielen schließlich bei der geringsten Erschütterung zu Staub. Danach war es leicht gefallen, die Höhle zum geheiligten Ort zu erklären und den weiteren Abbau der Kristalle zu verbieten.
Warlon hatte die Geschichte einst von Barlok erzählt bekommen, der in manchen Bereichen ein für einen Krieger außergewöhnliches Wissen zu besitzen schien.
»Ihr habt Euch bislang hervorragend gehalten, viel besser, als ich erwartet habe«, brach er nach einiger Zeit das Schweigen. »Der Marsch scheint Euch kaum erschöpft zu haben.«
»Die paar Treppen?«, erwiderte sie, und er meinte durch den Schleier hindurch zu erkennen, wie sich ihr Mund zu
einem Lächeln verzog. »Ich lebe im Dunkelturm, wie Ihr wisst. Dort steige ich jeden Tag mindestens ebenso viele Stufen hinauf und hinab. Das macht mir nichts aus.«
»Dem Thronfolger dafür umso mehr. Wir haben gerade erst ein Drittel hinter uns. Ich fürchte, bis wir die untersten Sohlen erreichen, wird er sich kaum noch bewegen können, dabei beginnt dann erst der eigentliche Marsch. Deshalb habe ich eine Bitte an Euch.«
»Und die wäre?«
»Es gibt noch einen anderen Weg, bis hinunter zu den Kohleflözen zu gelangen. Den Käfig. Ein Schacht, der lotrecht durch alle Sohlen führt. Darin befindet sich eine Gitterkonstruktion, die über ein System von Seilwinden hinuntergelassen und hinaufgezogen werden kann. Hauptsächlich dient sie dazu, die Wagen mit dem erbeuteten Erz oder wonach auch immer in den verschiedenen Tiefen geschürft wird nach Elan-Dhor zu befördern. Aber freilich kann man darin auch Zwerge transportieren.«
»Und warum haben wir diesen Weg dann nicht direkt benutzt?«
»Das geschieht nur in seltenen, sehr dringenden Fällen, beispielsweise wenn es einen Überfall gegeben hat und ein Kampftrupp schnell in die Tiefe gelangen muss oder um bei einem Unglück Verletzte rasch zu den Heilern bringen zu können. Ansonsten ist diese Beförderungsart verpönt, da während dieser Zeit der Abtransport von Gütern und Abraum ins Stocken gerät. Farlian würde niemals darum bitten, auf diesem Weg in die Tiefe gelassen zu werden, da er sich damit eine empfindliche Blöße vor den Männern gäbe, und das verbietet ihm
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