Zwergenfluch: Roman
weitermarschieren.«
Leises Murren breitete sich aus, das Warlon mit einem scharfen Blick jedoch sofort zum Verstummen brachte. Die Absicht, die Farlian verfolgte, war offensichtlich. Er hatte gemerkt, dass er mit der Ausdauer und der normalen Geschwindigkeit der Männer nicht mithalten konnte. Indem er sie nun erschöpft weitermarschieren ließ, während er eine zweistündige Rast hinter sich hatte, hoffte er, dass sie von sich aus ein langsameres Tempo vorlegten und man es nicht ihm zuschrieb. Es war ein hinterhältiger und eigensüchtiger Plan, dennoch widersprach Warlon nicht. Auch an ihm waren die Anstrengungen des langen Abstiegs nicht spurlos vorbeigegangen, und er hätte gegen eine Rast nichts einzuwenden gehabt. Aber er wusste genau, dass er an der Entscheidung nichts ändern konnte, sondern es dem Thronfolger nur Vergnügen bereiten würde, seinen Protest abzuschmettern.
Sie passierten das letzte Hoheitszeichen Elan-Dhors und drangen in freies Gebiet vor. Das Gehen wurde hier deutlich beschwerlicher, weil die Stollen von der Natur geformt und nicht ausgebaut waren. Manchmal stiegen sie steil an und fielen ebenso steil wieder ab, oder tiefe Risse und Löcher klafften im Boden, die sie nur springend überwinden
konnten. Vielfach lag lockeres Geröll herum, sodass sie aufpassen mussten, wo sie hintraten.
Nach einiger Zeit erreichten sie ein System riesiger Höhlen. Ein gewaltiger Abgrund gähnte dort. Stellenweise waren die steil abfallenden Wände mit Glühmoos bedeckt, das einen fahlen Lichtschein verbreitete, aber auch dieser reichte nicht aus, ein Ende zu erkennen. Der Abgrund schien bis zum Mittelpunkt der Welt hinabzureichen. Gelegentlich glomm ein düsteres rotes Glosen in der Tiefe auf.
Die Arbeiter und auch viele der Krieger waren noch nie so weit vorgedrungen und kannten diesen Bereich der Tiefenwelt nicht. Neugierig näherten sich einige von ihnen dem Abgrund, wichen jedoch schnell wieder zurück. Es machte bereits schwindlig, nur in die Tiefe hinabzublicken. Lediglich Ailin trat bis unmittelbar an die Felskante heran, so nah, dass Warlon befürchtete, sie könnte jeden Moment das Gleichgewicht verlieren und abstürzen. Schon wollte er auf sie zugehen, um sie notfalls packen und zurückziehen zu können, doch nachdem sie einige Sekunden lang in die Tiefe gestarrt hatte, wandte sie sich ungerührt um und trat zurück, ohne ein Wort zu sagen.
Die Weihepriesterin blieb ihm ein Rätsel.
Während sie ihren Weg fortsetzten, überlegte er, ob er sie noch einmal ansprechen sollte. Dies war eine Gelegenheit, nicht nur mehr über sie, sondern vor allem über den Orden der Priesterinnen in Erfahrung zu bringen, wie sie sich selten bot. Dennoch verzichtete er darauf. Ailin ging zusammen mit Farlian an der Spitze, was bedeutete, dass der Thronfolger an ihrem Gespräch teilgenommen hätte, woran Warlon wenig Interesse verspürte. Falls Ailin sich mit ihm unterhalten wollte, konnte sie sich auch zu ihm gesellen.
Nicht viel später allerdings musste er doch zur Spitze aufschließen, da sie sich einem gefährlichen Gebiet näherten. Selbst wenn er sich hier nicht ausgekannt hätte, hätte die mit jedem Schritt ansteigende Hitze ihm verraten, was sie erwartete.
»Ehrenwerter Thronfolger, ich bitte darum, vorübergehend die Führung übernehmen zu dürfen«, sprach er Farlian an. »Direkt vor uns liegt eine Feuergrotte, doch gibt es einen sicheren Weg hindurch.«
Wie zur Bestätigung seiner Worte tauchte ein Stück vor ihnen der Widerschein flackernden Feuers die Felswände für einen Moment in düsteres Rot.
Farlian zuckte erschrocken zusammen und wich einen Schritt zurück.
»Und Ihr kennt diesen Weg?«, erkundigte er sich.
»Ich habe die Höhle schon mehrfach durchquert, zuletzt erst am gestrigen Tag«, erinnerte Warlon mit mildem Spott. »Bitte haltet Euch dicht hinter mir, und achtet darauf, wo ich hintrete.«
Er ging an dem Thronfolger vorbei. Wenige Dutzend Schritte später erreichte er nach einer Biegung des Stollens die Feuergrotte. Auf den ersten Blick schien es sich um eine ganz normale große Höhle zu handeln. Allerdings klafften in unregelmäßigen Abständen verteilt eine Vielzahl von Löchern im Boden und verrieten dem Kundigen die Gefahr, die hier lauerte. Bei den Löchern handelte es sich um Öffnungen von schmalen Schächten, die bis in ein Gebiet hinunterreichten, in dem starke vulkanische Aktivität herrschte. Gelegentlich, sobald sich ein entsprechender Überdruck aufgebaut hatte,
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