Zwergenkinder, Band 01 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 01
hatte.
Der Erd-Alb hob das Kinn und schnüffelte, wobei sich seine Schnurrhaare bewegten. Dann legte sich ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht.
»Es ist bekannt, dass dein Meister ein wohlhabender Zwerg ist«, wisperte die Stimme des Erd-Alb s, der hervorragend Zwergisch sprach. Er machte einen Schritt nach vorn und streckte die linke Hand aus. Sie war dürr und hatte lange Finger. »Gib mir die Taler, die du in deiner Hand hältst«, forderte er.
»Ganz bestimmt nicht!«, entgegnete Tomli.
Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf. Was sollte er tun? Warum hatte sich der Erd-Alb nicht sofort auf ihn gestürzt, ihn überwältigt und ihm alles weggenommen? So schnell, wie sich Erd-Alben bewegten, wäre das für dieses Wesen doch eine Leichtigkeit gewesen. Es musste einen Grund dafür geben, dass er es bisher noch nicht getan hatte.
Tomli murmelte einen einfachen Vertreibungszauber, den ihm sein Meister beigebracht hatte. Aber der rief bei dem Erd-Alb nur ein glucksendes Lachen hervor. »Willst du mich beleidigen? Das ist ein Spruch, um Fliegen zu verscheuchen. Nun rück die Taler schon raus! Wenn du sie mir nicht gibst, werde ich dir auch alles andere wegnehmen. Ansonsten aber gebe ich mich mit den Ara-Duun-Münzen zufrieden.«
»Äußerst großzügig«, entgegnete Tomli spöttisch. »Aber du wirst sie nicht bekommen.«
»Weißt du, wie ich hier hereingekommen bin? Fragst du dich das nicht?«, sprach der Alb. »Du hast in der Eile vergessen, die Tür magisch zu verschließen. Das hättest du aber tun sollen, denn so konnte ich mich hineinschleichen.«
»Aber … ich habe nichts gehört!«
»Natürlich nicht, denn ich bin unter der Tür hindurchgekrochen. So etwas dauert nur einen Augenblick länger. Wenn ich die Tür geöffnet hätte, hätte es vielleicht geknarrt, oder irgendein anderes Geräusch hätte dich gewarnt. Und dann hättest du das Gold sicherlich nicht aus dem Tresor geholt.« Der Erd-Alb kicherte. »Ah, da ist noch so viel drin, was ich gern hätte. Doch dein Herr hat den Tresor mit einem Zauber gesichert, den ich nicht überwinden kann. Aber du kannst es.« Er lachte. »Und du hast es getan. Wie günstig für mich. Und jetzt gib mir die Taler.«
Während seiner letzten Worte veränderte sich der Klang seiner Stimme, wurde tiefer, drohender, und er entblößte nagetierähnliche Zähne.
Er hielt dem Zwergenjungen noch immer die geöffnete Linke hin und zog gleichzeitig mit der Rechten ein Schwert aus schwarzem Stahl und mit sehr dünner Klinge unter seinem Gewand hervor. Ein Erd-Alben-Rapier, erkannte Tomli. So nannte man diese Schwerter, deren zweischneidige Klingen so schmal wie ein Zwergenfinger waren und dennoch in der Mitte Löcher hatten, sodass sie noch leichter waren.
»Seltsam, dass du mir die Taler nicht einfach wegnimmst«, sagte Tomli und tat unbeeindruckt. »Fürchtest du einen Zauber? Manche Zauber gegen Diebstahl werden nämlich aufgehoben, wenn man etwas freiwillig hergibt. Ist es das, woran du denkst?«
Tomli war oft genug dabei gewesen, wenn Meister Saradul solche Zauber für reiche Zwergenhändler gewirkt hatte, die natürlich nicht von Erd-Alben oder anderen Dieben beraubt werden wollten.
»Oder hast du hiervor Angst?«, fuhr der Zwergenjunge fort und zog mit der freien Hand den Zauberstab aus dem Gürtel. Er streckte ihn dem Erd-Alb entgegen, und dieser wich einen Schritt zurück.
Zum Glück wusste er ja nicht, dass Tomli damit kaum umgehen konnte. Der riss sich zusammen, um nicht daran zu denken, denn man konnte bei einem Erd-Alb nie wissen, ob er über magische Fähigkeiten verfügte und wie stark diese waren. Man erzählte sich, dass manche Erd-Alben auch Gedanken lesen konnten.
»Gib mir die Taler!«, verlangte der Erd-Alb wütend. »Oder du kriegst mein Rapier zu spüren, und du weißt, dass ich so schnell bin, dass …«
»Was ist, wenn ich dir die Taler gebe?«, unterbrach ihn Tomli. »Bist du sicher, mein Herr hat nicht vorausgesehen, dass es zu so einer Begegnung kommen könnte? Meinst du nicht, dass er den Zauber so gewirkt hat, dass er auch dann wirkt, wenn ich dir die Taler übergebe? Nun, dann nimm sie, probier es aus!«, forderte Tomli. »Du wirst sehen, was geschieht!«
Tomli trat auf auf den Erd-Alb zu, hielt ihm die Hand mit dem Geld hin und öffnete sie. Das Gold glänzte in den Sonnenstrahlen, die durch eines der bunten Fenster fielen. Aber das war für den Erd-Alb eher unangenehm, als dass es ihn zusätzlich gereizt hätte.
Dennoch
Weitere Kostenlose Bücher