Zwergensturm
ihr auf. Die Wolke wurde immer kleiner und zog sich in der Gestalt selbst zusammen. Binnen weniger Augenblicke war der Raum wieder leer; nur die Helden um Haggy und die Figur vor ihnen waren zu sehen.
Doch der Dämon kanalisierte den Zauber nicht mehr. Seine Arme hatte er herabgenommen. Ganz langsam, ja, fast gemächlich, drehte er sich zu ihnen um. Bong nahm Kampfstellung ein und klappte sein Visier wieder herunter.
Das Gesicht, in das Haggy sah, würde er in seinem Leben nie wieder vergessen. Unter der Kapuze des schwarzen Umhangs sah er die Reste eines menschlichen Antlitzes, zerfressen von dämonischer Macht, zersetzt, verfault und verwest von den Jahrhunderten, in denen der Körper eigentlich schon hätte tot sein sollen. Selbst die Knochen des Gesichtes schienen zu faulen. Der rechte Wangenknochen war nur noch halb vorhanden. An den paar Fleischfetzen, die noch im Gesicht hingen, labten sich fette, weiße Maden. Eine tiefe, dunkle Stimme erschallte, als der Unterkiefer der Gestalt sich in Bewegung setzte und ihre Arme eine ausholende Geste vollzogen: „Willkommen in meinem Heim.“ Es schauderte Haggy. Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück. Die anderen standen da wie angewurzelt und betrachteten den unwirklichen Dämon. Nur Thrylas schien weniger beeindruckt zu sein und erwiderte kurz angebunden: „Was wollt Ihr? Was ist Euer Ziel?“ Der Dämon lachte, und es klang, als würden Blechdosen am Boden entlangscheppern: „Ihr fragt mich, was ich will? Ihr seid doch zu mir gekommen, so nehme ich an, dass ihr ein Anliegen habt, das ihr mir mitteilen wollt.“
Jetzt ging Haggy den Schritt, den er vorher zurückgegangen war, wieder vor, zeigte auf den Dämon und sprach: „Schweigt! Ihr habt unsere Träume geraubt und vielleicht noch mehr. Eure Truppen sind in unser Land eingedrungen und haben Menschen, Gnome und Zwerge … und Dunkelelfen getötet. Ihr habt Schuld auf Euch geladen. Wir wollen wissen, warum Ihr das tatet. Und dann …“ „Was dann?“, unterbrach der Dämon mit einem gekünstelt interessiert wirkenden Unterton in seiner Stimme. Haggy fuhr fort: „… werden wir Euch zur Rechenschaft ziehen.“ Wieder erklang das scheppernde Lachen des Dämons. Für einen Moment machte Haggy sich Sorgen, dass das Lachen die lädierte Gestalt des Dämons zusammenbrechen lassen könnte. Dann bliebe uns wenigstens der Kampf erspart.
Der Dämon ging langsam im Raum umher, ohne der Gruppe wesentlich näher zu kommen. Er wirkte nachdenklich, doch Haggy traute dem Anschein nicht. Erst nachdem einige Augenblicke vergangen waren, erhob er wieder seine Stimme: „Dann hört zu, auch wenn euch euer neu erworbenes Wissen nicht mehr viel helfen wird. Ja, ich stehle eure Träume. Ihr seid so weich, so schwach, dass es mir keine Mühe bereitet, in euch einzudringen und euch leer zu saugen. Die Energie, mit der ihr mich so speist, benutze ich, um mächtige Kreaturen zu erschaffen. Ich bin sicher, ihr seid ihnen schon begegnet. Die Kreaturen machen mich noch mächtiger. Gemeinsam führen wir den Kampf gegen euch, berauben euch eurer Träume, eurer Liebe …“ Er spie aus, bevor er fortsetzte und seine Stimme lauter wurde: „… und eurer Seelen! Wir berauben euch jedes Lebensnervs, ihr seid die Lämmer, die fröhlich frotzelnd auf der Schlachtbank sitzen. Ihr seid so naiv, so dämlich, so billig und so primitiv, dass mich eure pure Existenz anwidert.“ Zahrin trat einen Schritt vor. Eine Zornesfalte zog sich quer über ihre Stirn: „Dann ist es wohl an der Zeit, dass mein primitiver Streitkolben die Reste deines rudimentären Hirns aus der Madenwohnung drischt, die einmal dein Schädel war!“ Sie wollte sich auf den Dämon stürzen, der sie mit seinem augenlosen Gesicht überrascht anstarrte, doch Otto packte ihre linke Schulter und hielt sie zurück. Thrylas nutzte die Gunst des Augenblicks, um zu fragen: „Ihr sagtet ‚wir‘? ‚Wir berauben euch jedes Lebensnervs‘? Gibt es noch mehr von Eurer Sorte?“
Der Blick des Dämons wanderte von Zahrin zu Thrylas, als er erwiderte: „Ein ganz Schlauer. Ein … Elf. Euch kriegen wir auch noch. Ihr seid nicht ganz so primitiv wie die anderen. Eure Energie … wird uns guttun.“ Mit einem Ruck richtete der Dämonenlord sich zur vollen Größe auf. Haggy erschrak; die eben noch klapprig wirkende Gestalt war mit einem Mal fast doppelt so groß wie ein ausgewachsener Mensch, und eine dunkle, bösartige Aura umgab ihn und ließ ihn noch mächtiger erscheinen. „Ich bin
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