Zwergensturm
ich auch gedacht. Alleine werden sie es aber nicht schaffen.“
Sie riefen Haggy und dessen Freunde zu sich und erläuterten kurz den Plan.
Otto hielt sich den Kopf. Die Erschöpfung durch den Kater und die Schlacht sowie durch den mangelnden Schlaf hatte ihm tiefe Furchen unter die Augen gegraben: „Also, ich wiederhole noch mal. Wir vier hier – plus Schwein – schleichen uns an 700 Orks und Ogern vorbei, spazieren in das Gefallene Gebiet und legen uns dann mit einem Orkheermeister an, dessen Kampfwert den unseren um etwa das Fünfundzwanzigfache übersteigt.“ „Ja, so in etwa“, pflichtete Duram ihm bei. Lok’thodar mahnte: „Alleine schafft ihr das nicht, ihr braucht, entschuldige, Zahrin, Heiler. Echte Heiler, die auf massive Wunden schnell und aus der Entfernung reagieren können.“ Zahrin war seiner Meinung. Ihr war klar, dass ihre bescheidenen Heilkünste bei so einem Gegner nicht ausreichen würden. Sie war ohnehin schon darüber verbittert, dass sie so vielen nicht mehr hatte helfen können. Lok’thodar fuhr fort: „Geht nach Aurum, dort gibt es eine große Kneipe, die ‚Dampfende Wurst‘.“ „Schöner Name“, warf Tinchena ein. „Ja“, ergänzte Lok’thodar, „finde ich eigentlich auch. Dort jedenfalls versucht ihr dann, einen oder besser zwei zu finden, die sich mit Hellmagie auskennen. Ich weiß, es gibt kaum welche im Besetzten Land, die das hinreichend können, aber ohne solche Heilkundige sind eure Erfolgsaussichten gleich null. Außerdem braucht ihr einen Brecher.“ „Einen was?“, fragte Haggy. „Einen Brecher. Einen, der für euch den Schädel hinhält und die stärksten Angriffe eures Gegners abfängt.“ „Klingt gut“, befand Otto, „besser, als selber die Birne hinzuhalten.“
„Gut“, sprach Haggy, „so sei es. Ich habe zwar keine Ahnung, wo wir Heilkundige auftreiben sollen, aber wir werden es versuchen. Haben wir Zeit, uns ein wenig auszuruhen?“, fragte er mit Sorge vor allem um Zahrin, der das ganze Leid der Verwundeten am meisten zusetzte, wohl weil sie nicht allen helfen konnte. Doch Haggy kannte die Antwort schon, bevor Duram und Lok’thodar verneinten. „Ihr werdet kaum mehr als einen, höchstens zwei Tage haben, denke ich, bevor wir hier überwältigt werden“, gab Lok’thodar zu bedenken, „insbesondere wenn sie merken, dass die ‚Magierin‘ nicht mehr unter uns weilt.“
So packten sie in aller Eile ihre Sachen zusammen. Die Dorfbewohner füllten ihre Vorräte auf, und manche der angebotenen Sachen mussten sie gar ablehnen, weil ihre Tragekapazitäten begrenzt waren. Auch hatten einige Dorfbewohner inzwischen die Ponys und Pferde herangeführt.
Haggy, Tinchena, Otto und Zahrin verabschiedeten sich zügig von ihren Mitstreitern und von den Dorfbewohnern, die wiederum ihnen viel Glück wünschten. Schon bald saßen sie wieder auf den Ponys und eilten gen Aurum.
Während des kurzen Rittes waren sie alle in Gedanken versunken. Das gerade Erlebte, das Blut, die Gewalt, das Leid, hatte tiefe Eindrücke hinterlassen. Besonders an Ottos und an Zahrins Kleidung waren die Spuren des Gefechtes überdeutlich zu sehen; eigenes wie Orkblut klebte an zahlreichen Stellen. Dennoch, sie hatten auch ihr zweites Gefecht lebendig und im Großen und Ganzen unversehrt überstanden. Und vielleicht hatten sie mehr erreicht, als eigentlich möglich war.
Trotzdem blieb die Stimmung sehr bedrückt. Zahrin war blass. Sobald die unmittelbare Anspannung des Gefechtes und der Verwundetenversorgung hinterher nachgelassen hatte, war ihr wieder bewusst geworden, wie elend sie sich im Grunde genommen fühlte. Tinchena sah ihre Freundin von der Seite her an, griff in ihren Beutel und bot Zahrin etwas an: „Pilz?“ Tatsächlich brachte das Zahrin zum Schmunzeln. Und zu Tinchenas eigener Überraschung bejahte Zahrin, nahm die Morchel und biss herzhaft hinein. Haggy und Otto verzogen die Gesichter, doch Piggy forderte nun ebenfalls einen Anteil, den er auch prompt bekam.
Schon bald zeigte sich die Silhouette der Stadt deutlicher. Die Straße führte schnurstracks dorthin. Die Häuser hier waren mit mehr Metall verkleidet als die in Grünleben, dafür trafen die Augen auf weniger sichtbares Holz und Stein. Auch erkannten sie, dass die Stadt zwar kleiner als Grünleben war, aber immer noch beeindruckend und weitaus größer als Pruda.
Hier gab es noch eine rudimentäre, doch im Wesentlichen verfallene Stadtmauer. Am Stadttor war keine Wache mehr zu sehen, und so ritten sie
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