Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
einer von uns bleibt die nächsten drei Stunden wach und wartet im Corsa, damit er die anderen, die im Golf etwas zu schlafen versuchen, nicht stört. Vorher können wir nacheinander noch was essen gehen. Dann weckt er den nächsten und kann sich selbst drei Stunden aufs Ohr hauen. Dann kommt der dritte dran. So kriegen wir mit, wenn der Typ weiterfährt und können ihm auf jeden Fall sofort folgen. Okay?« Er sah die beiden anderen an und erntete keinen Widerspruch. »Gut. Wer fängt an?«
Am nächsten Morgen fühlten sie sich wie durch den Wolf gedreht. Besonders Rainer mit seinen fast Einmeterneunzig tat jeder Knochen weh. Sein nächster Wagen, schwor er sich, war ein Mercedes. Wenn er ein solches Auto jemals würde bezahlen können, schränkte er gedanklich sofort ein. Dafür müßte er sein Jurastudium zunächst beenden und dann auch noch einen gutbezahlten Job finden. Da ersteres schon nicht abzusehen war, blieb der Job Wunschdenken. Also weiter Taxifahren. Immerhin stammten die meisten Droschken aus dem Hause Daimler-Benz. War zumindest ein Anfang.
Gegen sieben Uhr morgens hatte Stefanie, die die letzte Wache übernommen hatte, sie geweckt. Der Fahrer war aus der Fahrerkabine geklettert und ins Rasthaus gegangen. Nach seiner Rückkehr hatte er den Brummer in Bewegung gesetzt und war weiter Richtung Berlin gefahren.
Seit nunmehr fast vier Stunden setzten die drei Freunde ihr Verfolgungsspiel fort. Berlin hatten sie hinter sich gelassen und waren mittlerweile auf der A 13 unterwegs Richtung Dresden. Da diese Autobahn im tiefsten Osten der Republik nicht so sehr befahren war, mußten sie einen erheblich größeren Sicherheitsabstand zwischen sich und dem Tankwagen lassen, um nicht aufzufallen. Stefanie, die zwischenzeitlich bei Cengiz mitgefahren war, machte es sich auf dem Beifahrersitz ihres Corsas bequem. Sie sah auf den Rücksitz. »Rainer, wo ist die Kamera?«
»Im Kofferraum.« Er machte eine Pause. »Mist. Wir haben vergessen, das Umpumpen in Herne zu fotografieren. Da müssen wir noch mal hin, wenigstens die Anlage und den anderen Tankwagen ablichten. Am besten Sonntag morgen. Da ist dann da garantiert kein Mensch. Erinnere mich bitte daran, daß ich das mit Cengiz bespreche.«
An der Abfahrt Großräschen verließ der LKW die Autobahn, ordnete sich links ein und fuhr Richtung B 169. Dort bog der Wagen links ab Richtung Cottbus, um bei einem Ort namens Drebkau einer Umleitung über Klein-Bukow zur B 97 zu folgen. Diese fuhr der Tankwagen südlich über Spremberg Richtung Hoyerswerda. Auf der kleinen Umleitungsstraße hatten die Verfolger Mühe, nicht entdeckt zu werden.
Ein Ort namens Schwarze Pumpe entpuppte sich als Straße mit einigen Häusern links und rechts, die an einem riesigen Kraftwerk vorbeiführte.
»Wirklich anheimelnd hier, im Schatten der STEAG zu wohnen ist dagegen wie in einer Sommerfrische«, spottete Stefanie.
»Das Ding wird gerade umgebaut.« Esch zeigte auf das Kraftwerk. »Stell dir den Klotz mal ohne Filter und Entstaubung vor, wie es die bei uns in den Sechzigern auch gab.«
»Lieber nicht.«
Einige Kilometer hinter dem Ort bog der Tankwagen nach rechts ab. Auf einem Industriegelände an der Straße standen in Reih und Glied einige weiße, langgestreckte Baracken. Hier hatte eine Firma namens BUL Sachsen ihren Sitz gefunden, entnahmen die zwei in dem Corsa einem Hinweisschild.
»Gut, daß ich hier nicht arbeiten oder gar leben muß«, sagte Stefanie.
»Schau dir erst mal Hoyerswerda an. Da lebt man nicht, da existiert man nur«, antwortete ihr Freund.
Ihr Handy klingelte. Cengiz regte an, einen Wagen stehenzulassen und mit nur einem Fahrzeug die Verfolgung fortzusetzen. Sie einigten sich darauf, daß Stefanie bei ihrem Corsa blieb und Esch und Kaya im Golf weiterfuhren. Sie stoppten und wechselten eilig die Wagen. Der LKW
verschwand einige hundert Meter weiter hinter einer Kurve.
»Die Kamera, die Kamera.« Stefanie rannte atemlos hinter dem Golf her und reichte Esch den Apparat in den Wagen.
»Los, gib Gummi.«
Kaya startete mit quietschenden Reifen und raste hinter dem Brummi her. Glücklicherweise kam hinter der Kurve keine Abzweigung mehr, die der LKW hätte benutzen können. Die Straße wurde schlechter. Hinter einer Biegung tauchte plötzlich eine geschlossene Schranke zu einem umzäunten Gelände auf. Weit hinter der Schranke verschwand der Tankwagen gerade in einer Staubwolke.
»Scheiße«, sagte Cengiz. »Was machen wir jetzt? Da kommen wir nicht
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