Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
kommen.
Den Weg kennen Sie ja.«
Esch nickte und Brischinsky verließ den Raum. Der Schließer griff zu einem Schlüsselbund und bedeutete Rainer mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Er öffnete das Schloss der Stahltür und sie betraten einen weiteren Flur, von dem mehrere Türen, die mit Nummern versehen waren, abgingen. Esch bemerkte, dass an der Decke eine Videokamera hing.
Der Beamte ging mit Rainer in einen weiß getünchten Raum am Ende des Ganges, in dem sich außer einem Holztisch mit Metallbeinen und vier Stühlen keine Möblierung befand. Eine Neonleuchte tauchte den Raum in ein fahles Licht. Auch hier überwachte eine Kamera das Geschehen.
»Bitte warten Sie hier«, sagte der Beamte und verschwand.
Rainer hörte das Öffnen und Schließen einer Tür und kurz darauf wurde sein Freund in das Zimmer geführt.
Der Polizist wiederholte: »Zehn Minuten« und stellte sich wortlos neben die Tür.
Cengiz fiel Rainer in die Arme. »Gott sei Dank, dass du hier bist. Du musst mir helfen, Rainer. Die glauben, ich hätte den Schattler umgebracht«, sprudelte es aus ihm heraus. »Aber ich war’s nicht, das musst du mir glauben. Ich hab den nicht umgebracht, bestimmt nicht. Die Polizei meint, das wäre aus Eifersucht passiert; ich hätte was mit Karin Schattler…«
»Sag ich ja«, unterbrach Esch den Redefluss und hob sofort entschuldigend beide Hände, als er das entsetzte Gesicht sah.
»War nicht so gemeint, ehrlich nicht.«
»Damit macht man keine Witze«, sagte Cengiz und sah seinen Besuch flehend an. »Hol mich bitte hier raus. Bitte. Ich halte das nicht aus.«
»Das kann ich leider nicht, Cengiz. Und du wirst heute noch dem Haftrichter vorgeführt, der darüber entscheidet, ob du aus dem Knast kommst.«
»Noch länger in diesem Loch und ich bin erledigt«, stöhnte Cengiz.
»Hier brauchst du auf jeden Fall nicht zu bleiben.«
»Nein?« Cengiz schien erleichtert.
»Nein. Wenn der Richter dich nicht freilässt, kommst du in U-Haft. Das ist dann ein richtiger Knast. Mit anderen Kollegen und so. Nicht so ‘ne Isolationshaft wie hier.«
»Puh. Tolle Aussichten.«
»Finde ich auch.« Rainer nestelte an seiner Jackentasche und zog das Papier und den Kuli heraus. »Hier. Das musst du unterschreiben.« Er legte das leere Blatt Papier vor Cengiz auf den Tisch.
»Einen Moment bitte«, schaltete sich der Schließer ein. »Was ist das?«
»Eine Vollmacht für seinen Anwalt«, erwiderte Esch. »Genau genommen nur eine Blankovollmacht zur Unterschrift.
Dagegen ist doch wohl nichts einzuwenden, oder? Ich vertrete hier quasi meinen Kollegen, Rechtsanwalt Losper. Ich bin sein Referendar«, log er.
»Klar, ist schon gut«, brummte der Beamte.
»Unterschreibe hier, Cengiz.« Esch zeigte auf die Blattmitte und der Türke setzte seinen Namenszug an die angegebene Stelle.
»Wer ist Anwalt Losper?«, fragte er leise.
»Ein Bekannter von mir. Hat mit mir angefangen zu studieren und ist vor kurzem fertig geworden. Hat ‘ne kleine Kanzlei in der Stadt, am Börster Weg.«
»Und? Hat der denn Erfahrung?«
»Erfahrung nicht, dafür aber keine Mandanten und jede Menge Zeit. Du dürftest sein erster Kunde sein. Deshalb kriegen wir den ja vermutlich problemlos kurzfristig. Von den frisch zugelassenen Rechtsanwälten kannst du eine Rundum-Betreuung erwarten, glaub mir. Da bist du als Kunde noch König. Nicht wie in den Anwaltsfabriken, da bist du nur ‘ne Rechtsschutznummer. Wenn du überhaupt Rechtsschutz hast.
Hast du eigentlich ‘ne Rechtsschutzversicherung?«
»Nein.«
»Trotz Manfred Krug? Na, macht nichts. Wir müssen ohnehin mit Losper eine Honorarvereinbarung schließen. Bei Strafsachen zahlen Rechtsschutzversicherungen nicht.
Da der darin auch keine Erfahrung hat, wird das nicht so teuer. Das kriegen wir schon hin. Schließlich bin ich ja auch noch da.«
Cengiz Kaya nickte ergeben. »Und der holt mich hier raus?«
»Hier raus kommst du auf jeden Fall«, grinste Rainer Esch.
»Verspreche ich dir.«
»Die Zeit ist um, meine Herren«, meldete der wartende Polizist nach einem Blick auf seine Uhr und griff Cengiz am Arm. »Bitte kommen Sie mit«, sagte er mit kalter Routine und führte den Häftling hinaus.
Als Rainer den verzweifelten Blick seines Freundes sah, bereute er zum zweiten Mal an diesem Tag, sein Studium noch nicht beendet zu haben.
18
Brischinsky benötigte fast eine Stunde, um nach Herne zum Kiosk von Karin Schattler zu gelangen.
»Frau Schattler«, begann der
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