Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
er bis zu dieser Wohnung verfolgt hatte, oder noch einmal seinen Ausweis sehen wollte, war er geliefert.
»Ja, was ist mit ihm?«
Rainer entspannte sich. Frechheit siegt, dachte er. »Frau Kirchner, Ihr Sohn ist da in etwas verwickelt…«
Die junge Frau wurde bleich. »Kommen Sie herein.« Sie gab den Eingang zur Wohnung frei. »Nach rechts.«
Esch betrat das Wohnzimmer und blieb wartend in der Mitte des Raumes stehen.
»Bitte«, sagte Dennis Mutter und zeigte auf die Polstersessel.
Esch setzte sich. Die junge Frau sah ihn fragend an.
»Also, es ist so.« Rainer berichtete von den Erpressungsversuchen der Kids, ohne zu erwähnen, dass er gesehen hatte, wie Dennis in Gegenwart eines anderen Jungen einem jungen Mann Zigaretten aus dem Kiosk übergeben hatte.
Frau Kirchner schaute Esch zunächst ungläubig, dann mit immer größer werdendem Erschrecken an. Als Esch geendet hatte, griff sie mit zitternden Händen zu einer Zigarettenschachtel, die vor ihr auf dem Tisch lag.
Rainer fragte: »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich auch…«
Sie schüttelte den Kopf. Esch holte eine Reval aus der Packung, steckte sie sich in seinen Mund und gab der Frau Feuer. Dann zündete er seinen eigenen Glimmstängel an.
»Können Sie sich erklären, Frau Kirchner, warum Ihr Sohn…«
»Seit mein Mann, ich meine, mein Exmann, vor zwei Jahren bei uns ausgezogen ist, hat sich Dennis verändert. Er wollte immer öfter allein sein und hat sich in sein Zimmer zurückgezogen. Nur seinem Bruder gegenüber hat er sich noch geöffnet.«
»Sein Bruder? Polle?«
»Ja, das ist sein Spitzname. Eigentlich heißt er Jörg. Er hat eine Allergie gegen Birkenpollen, daher der Spitzname. Aber woher kennen Sie…?«
»Jörg scheint auch an den Erpressungsversuchen beteiligt zu sein. Ich habe leider den Eindruck, dass er die Kinder sogar dazu angestiftet hat.«
»Angestiftet? Jörg hat Dennis…? Oh Gott, natürlich. Deshalb sind Sie hier! Sie wollen mir die Kinder wegnehmen. Das dürfen Sie nicht! Bitte. Lassen Sie mich erklären… Mein Ex zahlt nur sehr unregelmäßig Unterhalt und ich muss arbeiten, um uns durchzubringen. Ich bin im Schichtdienst. Bei McDonalds. Deshalb habe ich auch nicht die Zeit für die Kinder, die ich eigentlich haben müsste. Und jetzt kommen auch noch Sie.« Die junge Frau wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Esch kam sich in diesem Moment ziemlich schäbig vor.
»Nein, deshalb bin ich nicht hier. Es könnte doch sein, dass diese kleinen Erpressungen nicht die Idee Ihrer Kinder waren, sondern andere…«
Monika Kirchner griff begierig nach dem Ausweg, den Rainer ihr anbot. »Ja, das muss es sein. Natürlich, nur so…«
»Können Sie mir sagen, mit wem Ihre Kinder Umgang haben? Freunde, Spielgefährten? Vielleicht auch ältere Jugendliche oder Erwachsene?«
»Erwachsene? Nein, aber warten Sie, Dennis ist in seinem Zimmer. Ich werde ihn holen.«
Ehe Esch protestieren konnte, verschwand Monika Kirchner.
Kurze Zeit später kehrte sie mit Dennis zurück. Der musterte Rainer aufmerksam, sagte aber kein Wort.
»Dennis, das ist Herr Esch«, redete seine Mutter auf ihn ein.
»Er hat mir erzählt, dass Jörg und du den Kiosk oben an der Mont-Cenis-Straße erpressen würdet. Stimmt das?«
Dennis presste die Lippen trotzig aufeinander und blieb still.
Monika Kirchners Ton wurde schärfer: »Dennis, du musst mir die Wahrheit sagen. Was habt ihr da angestellt?«
Keine Antwort.
Die Mutter packte ihren Sohn an den Schultern und schüttelte ihn heftig. »Wenn du mir nicht sofort die Wahrheit sagst, passiert etwas.«
Das Kind riss sich los und lief weinend aus dem Zimmer.
Monika Kirchner sah Rainer fragend an und folgte dann ihrem Sohn. Esch hörte sie an einer Zimmertür rütteln und rufen: »Dennis, mach die Tür auf. Mach sofort die Tür auf.
Bitte, mach auf.«
Nach einigen Minuten kam sie zu Rainer ins Wohnzimmer zurück. »Er hat sich eingeschlossen und öffnet nicht.«
»Lassen Sie ihn. Sagen Sie, Frau Kirchner, wo ist Ihr anderer Sohn?«
»Jörg? Der hat um diese Zeit Fußballtraining.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Er muss aber gleich kommen.« Sie zögerte.
»Herr Esch, es tut mir Leid, aber ich muss bald zur Arbeit.
Wenn Sie morgen etwas früher…«
»Frau Kirchner, ich glaube, das wird nicht nötig sein.
Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie etwas besser auf Ihre Kinder aufpassen, wird mein Amt auch nichts unternehmen.«
»Das wäre schön. Vielen Dank. Ja, ich werde mit den beiden
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