Zweyer, Jan - Rainer Esch 03
die anderen beiden Schläger, die ihn festhielten, zuließen.
»Du wirst mir nicht mehr nachspionieren«, stieß Icke bösartig hervor. »Du nicht. Hast du das verstanden?«
Esch hatte und nickte verängstigt.
»Gut!«
Dann traf ihn mit voller Wucht ein Haken auf seiner rechten Augenbraue, der seinen Kopf wieder nach oben riss. Zwei weitere äußerst schmerzhafte Schläge in sein Gesicht folgten.
Irgendetwas brach knirschend. Rainer wurde schwarz vor Augen. Langsam sank er in sich zusammen. Seine Arme wurden losgelassen und er stürzte zu Boden. Mehrere Fußtritte trafen seinen Kopf und seinen Körper. Blind vor Schmerz und Angst rollte sich Esch zusammen, um sich zu schützen. Dann spürte Rainer nichts mehr und fiel in eine gnädige Ohnmacht.
Er kam wieder zu sich, als ihn Rettungssanitäter auf die Trage schnallten.
»Was ist passiert?«, nuschelte er.
Eine junge Frau, die in ein apartes Weiß-Rot gekleidet war, beugte sich über ihn. »Wir bringen Sie ins Krankenhaus. Ich bin die Notärztin. Machen Sie sich keine Sorgen, das kriegen wir wieder hin.«
Da Esch, kaum bei Bewusstsein, nicht die geringste Ahnung hatte, was geschehen war, machte er sich keine Sorgen.
Dieser äußerst angenehme Zustand änderte sich erst, als er vor der Notaufnahme des Krankenhauses von der Trage auf eine Transportpritsche gehoben wurde und sich ein heftiger Schmerz in seinem Brustkorb breit machte. Eilig schoben ihn zahlreiche weiß gekleidete, freundliche, aber hektische Menschen in einen hellen gekachelten Raum.
Eine Krankenschwester war damit beschäftigt, mit Tupfer und stechenden Tinkturen in seinem Gesicht herumzuwerkeln, während ein Arzt äußerst interessiert mit einer kleinen Lampe seine Pupillenbewegungen testete. Als der Mediziner vorsichtig seinen Brustkorb abtastete, stöhnte Esch von Schmerz gepeinigt auf.
»Da tut es also weh«, stellte der Aufnahmearzt lakonisch fest.
»Schwester, das muss geröntgt werden.«
Metzger, dachte Esch und versuchte, seinem Unwillen verbalen Ausdruck zu verleihen. Dabei machte er die Erfahrung, dass sich ein mit Tampons gefüllter Mundraum nur unzureichend zur Artikulierung klar verständlicher Wörter eignet: »Dasch hasch abersch schiemlich scheh scheschan.«
»Seien Sie bitte ruhig und machen Sie sich keine Sorgen«, versuchte ihn zum zweiten Mal einer der Halbgötter in Weiß zu beruhigen.
Jetzt wollte Esch sich aber Sorgen machen, jetzt ja. Er wollte wissen, wie sein Gesicht, um das sich mittlerweile eine weitere Schwester bemühte, aussah. Also fragte er: »Schönnen Schie schir schal scheinen schiegel scheigen?«
»Ganz ruhig. Wir tun, was wir können«, kam die prompte Antwort.
»Schönnen Schie schir schal scheinen schiegel scheigen?«, versuchte Rainer seiner Forderung energischer als vorher Nachdruck zu verleihen.
»Selbstverständlich suchen wir Ihren Schal«, beruhigte ihn eine der Schwestern. »Aber jetzt seien Sie bitte still.«
Rainers Versuch, sein Gesicht abzutasten, wurde mit sanfter Gewalt unterbunden. »Nicht doch, wir müssen doch nur etwas klammern und nähen. Wir geben Ihnen gleich eine Spritze und dann ist alles in Ordnung.«
Esch wollte keine Spritze, sondern einen Spiegel. Außerdem hatte das intensive Studium zahlreicher Fernsehsendungen wie der Schwarzwaldklinik in ihm die Erkenntnis reifen lassen, dass es wirklich höchste Eisenbahn war, sich Sorgen zu machen, wenn ein Arzt oder eine Krankenschwester das Gegenteil behauptete. Und da die Wirkung des starken Schmerzmittels nachzulassen begann, spürte er zudem, wie malträtiert sein Körper war.
»Schönnen Schie schir schal scheinen schiegel scheigen?«, nuschelte er erneut, aber schon fast resigniert. »Schund sches schut scheh.«
»Was tut Ihnen weh?«, fragte der Arzt.
Tiefe Erleichterung durchflutete Esch. Er wurde verstanden, jemand hatte ihn verstanden. Er konnte sich verständigen.
»Schäne, Schoden, scheinfach Schalles.«
»Ich habe Sie verstanden, Herr Esch. Sie heißen doch Esch, oder?«, wollte der Doktor wissen.
Er nickte.
»Gut. Herr Esch, wir müssen Sie vermutlich operieren, haben Sie verstanden?«
Esch riss die Augen auf. »Scharum?«
»Ihnen wurden mehrere Zähne ausgeschlagen und es besteht Verdacht auf Kieferbruch. Sie haben vermutlich eine leichte Gehirnerschütterung, eine schwere Hodenprellung und zumindest Ihre dritte Rippe ist angeknackst, möglicherweise auch gebrochen. Operieren müssen wir wahrscheinlich Ihren Kiefer. Wir würden das unter Vollnarkose
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