Zwielicht in Cordoba
ich hatte es trotzdem geschehen lassen. Meine Mission war nur vorgeschoben – falls Laeta Selia engagiert hatte, um Anacrites zu überfallen, dann wollte er durch mich nur seine Spuren verwischen. Damit konnte er vor der Öffentlichkeit so tun, als suche er nach den Tätern, obwohl er nichts anderes wollte als Macht. Er mußte geglaubt haben, daß es mir nicht gelingen würde, Selia zu finden. Vielleicht hatte er sogar angenommen, das Provinzkartell aufzudecken würde mich so ablenken, daß ich vergaß, nach ihr zu suchen. Hoffte er, ich würde bei meinen Ermittlungen umgebracht? Na, dann vielen Dank, Laeta! Anacrites hätte wenigstens größeres Vertrauen in meine Zähigkeit gehabt.
Vielleicht wollte Laeta aber auch, daß ich Selia umbrachte, da sie wußte, wie er an die Macht gekommen war.
Was den Quästor und seinen aufgeblasenen Senatorenvater anging, sahen die beiden nur wie Anhängsel dieser Geschichte aus. Ich konnte den Kaiser nur davor warnen, daß sich Quinctius Attractus zuviel Macht in Baetica aneignete. Mit Quadratus mußte der Prokonsul fertig werden. Ich bewegte mich hier auf abschüssigem Gelände und konnte nicht mehr riskieren. Kein Ermittler erhebt Vorwürfe gegen einen Senator, wenn er nicht sicher ist, daß er Unterstützung bekommt. Und mit der rechnete ich nicht.
Nur eines wußte ich genau: Ich wollte nicht, daß Claudius Laeta mehr Macht bekam. Falls Anacrites starb, würde Laeta sein Imperium übernehmen. Sobald er das Sagen hatte, schien es mir zweifelhaft, ob er sich noch im geringsten für den Preis von Olivenöl interessierte. Ich hatte selber gehört, wie neidisch Laeta auf die Erfolgsbeweise war, mit denen Anacrites sich umgab: die Wohnung im Palast der Cäsaren, die Villa in Baiae. Laetas persönliche Ambitionen waren sonnenklar. Und er konnte es nicht riskieren, daß seine Intrigen aufgedeckt wurden. Er würde zweifellos nicht wollen, daß ich in Rom auftauchte und behauptete, er hätte Selia dafür bezahlt, Anacrites aus dem Weg zu räumen. Vespasian würde das niemals hinnehmen.
Vielleicht würde ich dieses Wissen benutzen, um mich selbst zu schützen. Ich war durchaus bereit, das zur Sicherung meiner eigenen Position zu tun – aber gute Götter, das letzte, was ich an diesem Punkt meines Lebens brauchen konnte, war ein mächtiger Politiker, den mein mögliches Wissen nervös machte.
Ich würde ihn erbarmungslos bekämpfen müssen. Es war sein eigener Fehler. Er ließ mir keine andere Wahl.
Zwei Tage lang ritt ich wie von Furien gehetzt mit Muskeln, die bereits vorher geschmerzt hatten, und einem vernebelten Hirn. Ich war so müde, als ich die Herberge bei Corduba erreichte, daß ich beinahe auf einen Strohsack gesunken und über Nacht dort geblieben wäre. Aber ich mußte unbedingt zu Helena. Das hielt mich auf den Beinen. Ich ließ mir das Pferd wiedergeben, das Optatus mir für den Ritt in die Stadt geliehen hatte, und schaffte es tatsächlich, den ganzen Weg bis zum Camillus-Gut aufrecht auf dem Gaul zu sitzen.
Alles sah normal aus. Es war dunkel, also stimmten die Wachhunde bei meinem Näherkommen ein lautes Gebell an. Als ich das Pferd zum Stall führte, tauchte ein Sklave auf, um es zu versorgen, so daß mir wenigstens das erspart blieb. Der Sklave warf mir einen unsteten Blick zu, wie es die meisten Landsklaven tun. Ohne ein Wort mit ihm zu wechseln, ließ ich meine Gepäckrolle zurück und humpelte langsam zum Haus.
Niemand begegnete mir. Ein paar trübe Lampen erleuchteten den Flur. Zum Rufen war ich zu erschöpft. Ich ging in die Küche, wo ich alle anzutreffen erwartete. Nur die Köchin und ein paar andere Haussklaven waren dort. Bei meinem Eintreten erstarrten sie. Dann kam Marius Optatus krachend durch die gegenüberliegende Tür geprescht.
Er hielt eine Peitsche in der Hand und mußte wohl draußen gewesen sein, um zu sehen, was die Hunde aufgestört hatte. Sein Gesicht war grau, seine Miene erregt.
»Falco, Sie sind zurück!«
»Was ist los?«
Er machte eine unbestimmte, hilflose Geste mit der Hand, in der er die Hundepeitsche hielt. »Es hat einen tragischen Unfall gegeben …«
Ich war schon herumgewirbelt und rannte wie ein Verrückter zu dem Zimmer, das ich mit Helena teilte.
LII
»Marcus!«
Sie war da. Lebendig. Unförmiger denn je, immer noch schwanger. Ganz. Gesund.
Ich fiel neben ihrem Stuhl auf die Knie, während sie sich hochzustemmen versuchte, und nahm sie in die Arme. »Oh, ihr Götter …« Mein Atem kam in schmerzhaften,
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