Zwielicht in Cordoba
Etwas hat Sie so stark beunruhigt, daß Sie allein hierher gefahren sind. Ich nehme das sehr ernst, Claudia. Sagen Sie mir, was Ihnen dieses Mißtrauen eingeflößt hat.«
»Ich weiß es nicht.« Sie wurde rot. Zumindest war sie ehrlich. Ein seltener Zug bei einem Klienten.
Ich habe viel Zeit mit Frauen verbracht, die in der einen oder anderen Situation etwas zurückhielten. Also wartete ich ab. Mir war klar, daß Helena mich für viel zu streng hielt. Ich war einfach zu müde für große Behutsamkeit.
Claudia Rufina sah Helena Hilfe heischend an und sagte dann fest: »Ich glaube, daß mein Bruder ermordet worden ist. Dafür gibt es einen Grund, Marcus Didius. Ich glaube, Constans wußte etwas über die Sache, die Sie untersuchen. Ich glaube, er wollte sein Wissen preisgeben, also wurde er umgebracht, bevor er mit den örtlichen Behörden reden konnte.«
Gern hätte ich ihr noch eine Reihe von Fragen gestellt, aber in dem Moment, als sie geendet hatte, klopfte Tiberius Quinctius Quadratus (in einer schicken blauen Tunika, die ich zuletzt im Badehaus gesehen hatte) höflich an die Tür und schlenderte ins Zimmer, das nun plötzlich von Schweigen erfüllt war.
LV
Er ging direkt zu dem Mädchen. In Anbetracht der Tatsache, daß er mir gegenüber zugegeben hatte, er denke nicht an eine Heirat mit ihr, wäre es vielleicht rücksichtsvoller gewesen, Distanz zu wahren. Aber er murmelte etwas von Schock und Bedauern. Als Claudia daraufhin in Tränen ausbrach, beugte er sich über ihren Stuhl, ergriff ihre Hand und legte den anderen Arm tröstend um ihre zuckenden Schultern.
Junge Männer können normalerweise nicht so gut mit Trauernden umgehen. Vielleicht hatten Helena und ich uns in ihm getäuscht. Man kann eine Abneigung gegen jemanden entwickeln und dann so voreingenommen sein, daß man in jeder Geste Niedertracht sieht. Vielleicht war Quadratus nichts anderes als ein wohlmeinender junger Mann mit einem mitfühlenden Herzen …
Andererseits hatte Claudia nicht mehr geweint, bis er sie angesprochen hatte.
Claudia bemühte sich, ihre Beherrschung wiederzufinden. Sie wischte die Tränen weg und beugte sich vor, um sich aus der tröstenden Umarmung des jungen Mannes zu befreien. »Tiberius, ich wollte dich etwas fragen …«
Ich unterbrach sie. »Quinctius Quadratus Fragen zu stellen, das überlassen Sie bitte mir.« Das Mädchen fing meinen Blick auf und schwieg. Ich fragte mich, ob Quadratus aufgefallen war, daß sie inzwischen vielleicht Zweifel an seiner Rechtschaffenheit hegte.
Quadratus richtete sich auf und vergaß auch nicht, dabei die Hand gegen sein schmerzendes Kreuz zu drücken. Er war ziemlich bleich, was aber seinem guten Aussehen keinen Abbruch tat. Seine Konstitution war so robust, daß er gar nicht anders aussehen konnte als topfit. »Mir können Sie nichts vormachen, Falco! Ich weiß genau, daß Sie meinen, ich hätte mir etwas zuschulden kommen lassen. Ich würde gern Ihre Fragen beantworten und die Dinge klären!« Nicht schlecht. Ganz der aufrichtige, unschuldige Mann.
»Ich habe keine Fragen an Sie, Quästor.«
»Sie benutzen meinen Titel immer, als wäre er eine Beleidigung … Ich wünsche, daß diese Verdächtigungen ausgeräumt werden!«
»Sie stehen nicht unter Verdacht.«
»Das ist doch nicht wahr.« Er klang so verletzt, daß ihn jedes Gericht auf der Stelle freigesprochen hätte. Geschworene fahren voll ab auf einen Mann, der sich die Mühe macht, schlecht zu schauspielern. »Das ist alles so ungerecht, Falco. Ich scheine in Baetica keinen Schritt machen zu können, ohne auf Kritik zu stoßen. Selbst der Prokonsul will offenbar nicht mit mir arbeiten – ich nehme an, er denkt, ich sei aufgrund des Einflusses meines Vaters ernannt worden, nicht wegen eigener Verdienste. Kann ich was dafür, daß meine Familie starke Verbindungen zu Baetica hat? Ich bin für diese Quästur genau so qualifiziert wie jeder andere in Rom!«
»Das ist vollkommen richtig«, verkündete ich. Und das war es auch. Tagtäglich werden Idioten ohne jedes Moralgefühl in den Senat gewählt. Manche davon landen zwangsläufig auf wichtigen Finanzposten. »Aber seien Sie nachsichtig«, frotzelte ich. »Man stößt hin und wieder auf einen exzentrischen Statthalter, der seinen Quästor nur deshalb kritisiert, weil der Junge Platos Akademie gelesen hat, aber nicht weiß, wierum ein Abakus funktioniert.«
Quadratus fühlte sich bemüßigt, bissig zu werden: »Die Zahlen werden von sehr kompetenten Leuten
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