Zwielicht in Cordoba
Bauer, in dessen Leben es keinen Platz für Frivolitäten gab. Aber nachdem er mir nun als Frauenheld vorgeführt worden war, der es auf die ansehnliche Mitgift der ziemlich großnasigen Enkeltochter eines Nachbarn abgesehen hatte, war alles möglich.
XXVIII
Helena hatte Claudia Rufina zu einem Gegenbesuch eingeladen, aber die gesellschaftlichen Regeln verlangten, daß zwischen solchen Besuchen ein kurzer Zeitabstand lag. Unsere junge Nachbarin konnte es wahrscheinlich kaum erwarten, Helenas Geliebten in Augenschein zu nehmen, doch das arme Ding würde noch warten müssen, bis es mein freundliches Gesicht zu sehen bekam. Derweilen beschloß ich, ihren Großvater aufzusuchen. Nachdem ich Annaeus schon kennengelernt hatte, mußte ich die beiden Rivalen möglichst rasch miteinander vergleichen, bevor ich eine Voreingenommenheit für oder gegen den einen entwickelte, nur weil ich ihn als ersten getroffen hatte. Da die Rufius-Familie heute bereits einen Besuch von uns bekommen hatte, meinte Helena, ich solle bis morgen warten. Dadurch hatte ich einen freien Nachmittag, was mir durchaus recht war.
»Ihr Haus wird dir gefallen«, kicherte Helena, wollte aber den Grund dafür nicht nennen.
Am nächsten Morgen ritt ich auf meinem geliehenen Pferd hinüber. Sein Name war angeblich Tänzler, doch der mußte ihm schon vor langer Zeit gegeben worden sein. Ich glaube, der Klepper wäre gern Botaniker geworden. Unter einem Kanter verstand er ein so gemütliches Zuckeln, daß er jedes Sauerampferblatt am Wegrand inspizieren konnte.
Das Gut von Licinius Rufius lag verhältnismäßig nahe, wenn auch (dank meines Gauls) nicht so nahe, wie es mir lieb gewesen wäre. Schuld daran waren vor allem die vielen dazwischenliegenden Olivenhaine, die jemand anderem gehörten. Marius Optatus hatte mir den Besitzer genannt: seinen ehemaligen Pachtherrn Quinctius Attractus. Ich musterte die Besitzungen des Senators mit großem Interesse. Sie waren ganz schön protzig. Nach den Olivenhainen mußte ich an seinen Flachsfeldern, seinen Gemüsegärten, seinen Weinbergen, seiner Schweinezucht und seinem Weizen vorbeireiten.
Als ich die Rufius-Villa erreichte, sah ich, was Helena Justina gemeint hatte: Die Familie hatte ein wirklich mutiges Renovierungsprogramm in Angriff genommen. Woher das Geld dafür stammte, war leicht zu erkennen. Nachdem ich das Eingangstor mit dem auf einer Säule eingemeißelten Familiennamen passiert hatte, war ich mindestens zwei Meilen lang durch Haine mit schönen alten Olivenbäumen geritten, große Monster mit mehreren Stämmen, die aus einem Ursprungsstamm von gewaltigem Umfang hervorwuchsen. Hierbei handelte es sich eindeutig nur um einen Bruchteil des gesamten Besitzes. Dann war ich an einem freien Gelände vorbeigekommen, auf dem nicht nur eine, sondern zwei Ölmühlen standen. Noch bedeutsamer war die Tatsache, daß sie sogar ihre eigenen Brennöfen zur Herstellung von Amphoren besaßen. Dieses Gut, das bis an den Fluß reichte, lag offenbar nahe genug an der Schiffahrtslinie von Corduba, daß auf einen Maultiertransport des Öls verzichtet werden konnte. (Die Wege auf dem Gut waren in der Tat makellos.) Es gab fünf Brennöfen, neben denen Reihen von Ziegelsteinen in der Sonne trockneten und darauf warteten, ebenfalls gebrannt zu werden.
Auf einem Gelände, das die Bauarbeiter als Werkhof benutzten, entdeckte ich den jungen Mann, der sich vor Annaeus’ Haus übergeben hatte. Das mußte der Enkelsohn sein, wie wir schon angenommen hatten. Er trug eine blitzsaubere Tunika mit breiten Streifen in rot und purpur, ein Kleidungsstück, das geradezu herausschrie, wie gut betucht seine Familie war. Zusammen mit dem Gutsverwalter gab er einem Zimmermann Anweisungen wegen eines neuen Fensterrahmens, der auf der Werkbank lag. Der junge Rufius konnte höchsten Anfang zwanzig sein, aufgeweckt, aber vielleicht noch nicht ganz wach. Trotzdem war er derjenige, der die Baupläne in der Hand hielt; seine Beziehung zu den Arbeitern schien freundlich zu sein und das, was er zu den Plänen zu sagen hatte, klang durchaus kompetent. Ich ritt vorbei, ohne daß jemand Notiz von mir nahm, und ließ Tänzler unter einem Eichenbaum zurück. Ihn anzubinden schien nicht der Mühe wert.
Beim Anblick des Hauses mußte ich schlucken.
Einst war es eine bescheidene baetische Landvilla gewesen, ähnlich der auf dem Gut der Camilli – eine kurze, längliche Konstruktion mit einem einzigen Flur, zwei sehr einfachen Empfangsräumen und
Weitere Kostenlose Bücher