Zwielicht
unten führte. Rosemary folgte ihr. Selendis erhob keine Einwände. Einen Moment darauf folgte ihnen auch Vartanil. Rosemary musste regelrecht rennen, um mit Selenidis, die mit langen Schritten voranstürmte, mitzuhalten. Doch dann blieb sie abrupt stehen und schwang noch in derselben Bewegung ihr Gewehr hoch.
Sie hatte gewusst, dass eine Menge Zerg gekommen sein mussten, aber hier, so dicht um sie gedrängt, ohne jedoch anzugreifen, schien ihre Zahl buchstäblich endlos zu sein. Rosemary aber hatte nur für ein Wesen Augen ein humanoides, das rittlings auf etwas saß, das aussah wie eine gewaltige fliegende Schlange.
Ethan.
„Protoss!", ertönte eine kräftige Männerstimme. Rosemary zuckte wie unter einem Nadelstich zusammen. Es war keine Gedankenstimme, diesmal nicht, und ihr Klang rieselte kalt durch Rosemarys Adern. „Meine Königin will nicht euer Blut. Wir sind nur wegen der Bewahrerin hier. Übergebt sie uns, und wir werden euch nichts tun."
„Jetzt hör aber auf", erwiderte Rosemary. „Darauf sind wir doch schon letztes Mal nicht reingefallen. Wie kommst du darauf, dass das jetzt anders sein könnte? Ihr werdet euch nicht einfach nehmen, was ihr wollt, und dann abziehen."
Ethan drehte den Kopf und richtete den Blick auf sie. Ein leichtes Lächeln, übelkeiterregend in seiner Vertrautheit, hob seine Mundwinkel, als er sie musterte.
„Ich lüge nicht, Trouble, glaub mir ruhig", gab Ethan zurück. „Etwas anderes hier interessiert mich ehrlich nicht. Ich bin wegen Zamara hier. Und ich werde sie kriegen, so oder so."
Rosemary kniff zur Antwort ein Auge zu und spähte durch das Zielfernrohr auf ihrem Gewehr. Sie krümmte den Finger um den Abzug. Wenn sie hier schon alle sterben sollten, dann würde sie Ethan diesmal mitnehmen.
„Nein, Rosemary!" Selendis' geistiger Ruf war so machtvoll, dass Rosemary leise aufkeuchte. „Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg."
Langsam senkte Rosemary die Waffe und warf Selendis einen Blick zu. Sie stand hoch aufgerichtet da, hielt eine Hand hoch, die Handfläche der schwebenden Gestalt zugedreht.
„Ich bin Selendis, Exekutor der Templer. Und ich sage dir wahrheitsgemäß, wenn ihr diesen Tempel jetzt angreift, wird Zamara sterben!"
Ethan schwieg einen Moment lang. Rosemarys Blick streifte über die Abertausend von starren Zergaugen, die ihrerseits sie anstarrten. „Sprich weiter", sagte Ethan schließlich. „Und ich werde merken, ob du lügst, verlass dich darauf."
Rosemary fragte sich, ob das stimmte, und kam zu dem Schluss, dass es durchaus wahr sein mochte.
„Zamaras Präsenz in Jacobs Körper bringt ihn um", fuhr Selendis fort. „Wir befinden uns mitten in einem heiklen Versuch, ihre Essenz aus ihm zu lösen. Wenn es uns gelingt und wir Zamaras Essenz in einen speziell vorbereiteten Kristall transferieren können, werden sowohl Jacob als auch Zamaras Wissen weiterleben. Wenn du das Ritual jetzt störst, werden beide sterben, und die Information, hinter der deine Königin her ist, wird für immer verloren sein. Und ich glaube nicht, dass du das möchtest."
Rosemary unterdrückte ein Grinsen. Ethans Schweigen nach zu urteilen, wollte er das ganz offensichtlich nicht.
„Ihr seid uns zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen, Exekutor Selendis", sagte er dann mit Verachtung in der Stimme. „Und selbst wenn diese... Mönche, die hier seit weiß Gott wann hausen, wissen, wie man kämpft, werden wir doch siegen. Darüber solltet ihr euch im Klaren sein."
„Darüber sind wir uns im Klaren", antwortete Selendis ruhig. Rosemary wandte sich ihr zu und verengte die Augen. Sie kannte sich mittlerweile gut genug mit der Funktionsweise der geistigen Fähigkeiten der Protoss aus, um zu erkennen, dass Selendis ihre Gedanken fest verschlossen hatte. Es gelangte nichts hinein oder heraus, was sie niemanden hören lassen oder das sie selbst nicht hören wollte.
Ich weiß so wenig wie du, Rosemary Dahl, vernahm sie Vartanils verblüfften Gedanken.
Ethan lachte rau. „Dann werdet ihr mir Zamaras Essenz also kampflos übergeben? Wie enttäuschend. Meine Zerg wollen in Übung bleiben."
„Sie hatten auf unserer Heimatwelt hinreichend Gelegenheit zum Üben", versetzte Selendis, und ihre leuchtenden Augen blitzten auf. „Wir wollen kein weiteres Blutvergießen."
Rosemary runzelte die Stirn. Worauf, zum Teufel, legte Selendis es an? Sie wusste, dass das Wissen, das im Alys'aril aufbewahrt wurde, für die Protoss von unschätzbarem Wert war. Vielleicht war es sogar
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