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Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kellison
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ihre Gestalt, auch Geruch und Geräusche verschwanden unter seinen Falten. Bis auf ihren Puls war sie ein unsichtbarer Geist.
    Talia hob ihre schwere, geschwollene Zunge an den Gaumen, um zu schlucken. Ein frustrierender Reflex, denn sie hatte nichts als klebrige, zähe Spucke zu verarbeiten, und die Bewegung brannte in den Lungen.
    Eineinhalb Tage. Früher oder später musste etwas passieren.
    Auf Händen und Knien kroch Talia über den heißen Asphalt zu einer schlaffen gelben Matratze, die an der Mauer der Gasse lehnte. Schon von dieser kleinen Anstrengung raste ihr Herz, und das Pochen in ihrem Kopf wurde noch heftiger. Aber das war es wert. Ihre seltsamen Schatten fielen in dem Licht der untergehenden Sonne nicht auf und gaben ihr Gelegenheit, sich an der muffigen, aber weichen Matratze etwas auszuruhen.
    Kaum hatte sie den Kopf gegen das Polster gelehnt, drehte sich die Welt um sie herum und verschwamm vor ihren Augen, ihre Ohren sausten, und Bewusstlosigkeit überkam sie. Sie wehrte sich dagegen. Blinzelte heftig. Schüttelte den Kopf. Und zwang sich, sich auf die Welt zu konzentrieren. Ihr Blick zuckte zu dem Monster.
    Der Mann hatte sich von der Mauer abgestoßen und sich umgedreht, damit er ganz in die Gasse hineinsehen konnte, wobei er die Nase in die Luft reckte und mit suchendem Blick Witterung aufnahm.
    Talia fixierte den Mann, der sie gewittert haben musste, mit weit aufgerissenen, trockenen Augen und griff nach ihren Schatten. Sie schlang die dunklen Schleier fest um sich, damit der Schutzschild nicht noch einmal verrutschen konnte.
    Nicht ausruhen. Kopf hoch.
    Das Monster schritt die gesamte Gasse ab und blieb an dem Durchgang zu dem Wohnblock stehen. Es hob erneut die Nase, dann bewegte es sich weiter auf die Ecke zu. Es riss die Matratze von der Wand und schwenkte sie über Talia hin und her. Sein Hosenbein streifte ihre Wange.
    Sie hielt die Luft an. Wenn sie sterben musste, brauchte sie ohnehin keinen Sauerstoff mehr. Atmen und sterben. Nicht Atmen und vielleicht sterben. Jede Entscheidung fiel wesentlich leichter, wenn man an ihr das logische Denken übte.
    Die Matratze kippte um und fiel auf die Seite, während das Monster an ihr vorbei zu seinem Posten am Ende der Gasse zurückging.
    Talia hielt sich mühsam aufrecht, die schwarzen Punkte vor ihren Augen wuchsen und verschleierten ihren Blick. Ihr Kopf dröhnte, und ihr wurde übel.
    Okay, atmen. Ein. Aus. Noch einmal.
    Sie konnte sich nicht länger auf den Beinen halten. Die Schwerkraft, die Müdigkeit und die letzten Fetzen des flamingofarbenen Sonnenuntergangs zwangen sie auf den Boden. Sie hielt die Augen geöffnet.
    Nur noch ein bisschen durchhalten. Atme.
    t
    Adam und Custo hielten an einer stark befahrenen Kreuzung. Autos mit grellen Scheinwerfern, aus deren geöffneten Fenstern Musik dröhnte, rauschten an ihnen vorbei. Langsam senkte sich die Dämmerung über die Wüste, und in die Abgase mischte sich der süße Duft nachts blühender Pflanzen. Custo hielt am Straßenrand. Adam sprang aus dem Wagen, während Custo mit konzentrierter Miene in sein Mobiltelefon lauschte und auf einen detaillierten Polizeibericht über die Gegend wartete.
    Adam musterte die Anlage der Kreuzung. Energie, Angst und Anspannung, die sich den ganzen Tag über in ihm aufgestaut hatten, wichen dem sicheren Gefühl, dass sie irgendwo hier war. In seiner Brust loderte ein Feuer.
    Im Norden drängten sich kleine einstöckige Häuser gegen hohe Wände aus Schlackenbeton. Die Gebäude endeten abrupt und machten etwas Platz, das wie eine Ansammlung alter Lagerräume wirkte. An der anderen Ecke stand eine verlotterte Tankstelle. Im Osten befand sich ein vier- oder fünfstöckiges Bürogebäude. Dahinter ein Wohnblock. An der Seite des Hauses prangte in großen Lettern der Schriftzug BERGHANG.
    Das ist ein Wohnblock, Mann. Rastalocke war ein arroganter Mistkerl.
    Adam lotste Custo mit einer Geste in Richtung Eingang. »Such du den zuständigen Wachmann.«
    Custo nickte und lief im Laufschritt über den aufgesprungenen Bürgersteig auf den Haupteingang des Gebäudekomplexes zu.
    Adam wählte einen hinteren Zugang, denn er wollte noch rasch das Gelände überprüfen, bevor das letzte Tageslicht verschwunden war. Es stellte sich heraus, dass das eine große Gebäude in Wahrheit aus vier einzelnen Häusern bestand. Sie waren um eine vertrocknete Rasenfläche herum angeordnet, die er mit großen Schritten passierte. Zu seiner Linken rauschte der Verkehr, die Autos rasten

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