Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
sie das geglaubt? Nein. Sie war übermütig geworden. Lektion gelernt. Jetzt musste sie sich verstecken.
Mickey würde sie bei sich aufnehmen und mit ihr gemeinsam überlegen, was zu tun war. Sie konnte zwar schneller denken als er, doch er gab ihr erst die nötige Ruhe, ihren Verstand richtig zu nutzen. Mickey hatte immer an sie geglaubt. Mit Mickey konnte sie alles schaffen.
Sie griff eine Handvoll in Plastik eingeschweißter Ware.
Natürlich hatte sie den Idioten hinter der Imbisstheke umbringen müssen. Als sie hereingekommen war, hatte er Kaffee getrunken und die Nachrichten im Fernsehen verfolgt. Beim Anblick ihres Arms war er erblasst. Hätte er härter gearbeitet, befände sich der Laden vielleicht nicht in diesem Zustand. Jetzt lag er in einer Blutlache auf dem Boden, während die Moderatoren der Morgennachrichten über das Wetter plauderten.
Mehl? Vertrug sie nicht. Ein paar grüne Bohnen? Rose verzog das Gesicht. Na, gut. Eine Dose, für alle Fälle. Ihr Magen knurrte bereits seit Stunden, sie musste auf ihre Ernährung achten.
»Die Bürger von Middleton können heute morgen aufatmen«, erklärte ein Reporter im Fernsehen. »Mit der Festnahme des entflohenen Häftlings Mickey Petty geht eine Verbrechensserie zu Ende.«
Rose horchte auf. Mickey?
Sie ließ die Tüte mit dem Essen fallen. Mit der Kraft ihrer bösen Hand schwang sie sich über den Tresen, um den Bildschirm zu sehen.
Tatsächlich. Eine Gruppe Polizeibeamter führte ihren Mickey in Handschellen zu einem großen schwarzen Geländewagen. Die Haare ihres Liebsten waren leicht ergraut und oben etwas licht geworden. Er trug einen Dreitagebart und zeigte den Ansatz eines Doppelkinns. Die Augen, die sie einst so sehr geliebt hatte, blickten verängstigt hinter dicken rosa Tränensäcken hervor.
»Wer ist die Heldin des Tages?«, fuhr der Reporter fort und folgte der Menschenmenge die Straße hinunter. »Eine Touristin unserer kleinen Stadt. Ms. Layla Mathews.«
Layla. Das Flittchen vom Tod, das die Existenz des Tores bedrohte.
»Ms. Mathews hat den Verbrecher ganz allein überwältigt.«
Das Flittchen besaß die Frechheit, das Gesicht in die Kamera zu halten und zu winken. Rose wusste, dass das Winken ihr galt. Mickey hatte Layla nichts getan. Er war eine brave Seele.
Heiße Wut ergriff sie. Rose sah rot.
»Ms. Mathews!« Der Reporter lief um die Beamten herum, um Layla ein Mikrofon vors Gesicht zu halten.
Während sie auf dem Beifahrersitz des Geländewagens Platz nahm, lächelte Layla in die Kamera. »Ich freue mich, dass ich helfen konnte«, rief sie und zwinkerte der ganzen Welt zu.
Rose begann zu zittern.
Zwei Beamte verfrachteten Mickey auf die Rückbank. Sie sahen nicht wie normale Polizeibeamte aus, noch weniger wie Gesetzeshüter einer Kleinstadt. Ihre grauen Uniformen saßen nicht gut, sie spannten an Armen und Oberschenkeln. Das waren bullige, dumme Soldaten aus Segue.
Der Geländewagen verließ Middleton, fuhr jedoch nicht wie erwartet in Richtung Gefängnis, sondern den Berg hinauf und verschwand zwischen den hohen Bäumen. Layla teilte ihr mit, dass sie Mickey mit nach Segue nahm. An diesen verhassten Ort.
Mickey. Zwölf Jahre! Oh, die Welt war grausam.
Rose stampfte mit dem Fuß auf. Ihr Kinn bebte. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie hatte sich geschworen, nie wieder nach Segue zurückzukehren. Dort lebte der Tod, das Monster schlimmster Albträume.
Sie biss sich in den breiten Knöchel ihrer bösen Hand, rang mit sich und fasste einen Entschluss.
»Tor?«, sagte sie laut. Das letzte Mal hatte das Tor nicht geantwortet.
Diesmal erschütterte das vertraute Kat-a-kat-a-kat ihre Knochen.
Sie blickte zum Himmel als spräche sie zu Gott. »Layla hat Mickey. Wenn du mir hilfst, ihn zu retten, tue ich alles.« Außer mich mit dem Todesmonster anzulegen.
Kat-a-kat-a-kat: Eine letzte Chance, sie zu töten. Deine beste Chance.
»Nein, hör zu … «, sagte sie. Das Tor verstand sie nicht. »Dieses M-m-monster lebt dort. Es bringt mich um. Es bringt Mickey um.«
Kat-a-kat-a-kat: Der Tod ist vernichtet. Er kann dir nichts antun. Hol deinen Mickey. Richte ein Blutvergießen an. Du hast nichts zu befürchten.
»Der Tod ist was?«
Kat-a-kat-a-kat: Der Tod ist jetzt schwach und sterblich.
»Wie?« Ihr Herz und ihr Kopf befanden sich bereits auf halbem Weg zurück nach Segue. Sie konnte es kaum glauben. Kein Tod?
Kat-a-kat-a-kat: Er ist selbst schuld.
Na klar. Ein solches Wesen. »Dann kann ich ihn
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