Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
zueinander. Ihre Haut prickelte, ihr Blut geriet in Wallung. Allmählich entwickelte sich dieser Zustand zu einem Problem.
»Halt still«, sagte er, und führte sie beide durch die Oberfläche.
Sie bekam nur einen flüchtigen Eindruck von den Bäumen, doch sie wirkten echt. Verströmten einen intensiven berauschenden Geruch. Eine schmerzhafte Sehnsucht erfüllte ihr Herz. Stimmen wisperten in ihrem Kopf: Erinnere dich!
Doch schon befand sie sich mitten in einer Stadt. In New York, am Rande des Central Parks.
Gerade waren sie noch woanders gewesen und … nun standen sie hier. Unmöglich.
Ihre Knie gaben nach, doch Khan fing sie auf und schloss sie fest in die Arme. Das konnte nicht sein, das war unmöglich. Hier handelte es sich um etwas völlig anderes als um ihre üblichen Halluzinationen. Vielleicht erlitt sie gerade einen heftigen Nervenzusammenbruch.
Um die Straße auszublenden, lehnte sie den Kopf an Khans Brust. Er roch gut – rätselhaft und holzig wie die Bäume, männlich mit einer intensiven exotischen Note. Sie unterdrückte den Impuls, die Arme um seinen Hals zu legen und ihn fest zu umarmen. Moment, sie umarmte ihn bereits. Vielleicht noch ein bisschen länger …
Wenn sie nur einmal tief durchatmen konnte, war alles wieder okay.
»Magie«, raunte er in ihr Ohr.
Layla schüttelte abwehrend den Kopf. Unmöglich.
»Doch«, sagte er mit seiner sanften, tiefen Stimme. »Ich hätte dich direkt zu deiner Wohnung gebracht, aber ich weiß nicht, wo sie sich befindet.«
Sie lachte auf. »Kannst du das nicht mit Hilfe der Magie herausfinden?«
»Dann hätte ich dich schon eher gefunden.«
Layla bemerkte einen Mann mittleren Alters, der mit einer Zeitung unter dem Arm an ihnen vorübereilte und mit amüsiertem Blick zu ihnen herübersah, während sie in aller Öffentlichkeit schmusten. Sie wich zurück und richtete ihre Kleidung. Ohne seine Umarmung brauchte sie einen Mantel. In der Stadt herrschten eisige Temperaturen.
»Sind wir per Teleportation gereist?« Vielleicht verfügte er über eine enorm fortschrittliche Technologie, wie von einer fremden Zivilisation. Vielleicht war es das.
»Ich würde sagen, wir sind hindurchgereist .« Er streckte eine Hand aus und lud sie ein, wieder in seine Arme zu kommen. »Ist es so schwer, an Magie zu glauben?«
Irgendwie schon. Magie gehörte in Märchen. Das Leben fußte auf Realitäten. Aufgewachsen als Pflegekind, hatte sie das auf brutale Art erfahren. Als sie von zu Hause in ein Heim abgeschoben worden war, hatte sie sich von Tagträumen und der Hoffnung auf ein bisschen Zauberei verabschiedet. Es war zu schmerzlich, wenn ihre Hoffnungen immer wieder aufs Neue enttäuscht wurden. Die Dinge waren, wie sie waren. Selbst ihre Halluzinationen ließen sich durch ein chemisches Ungleichgewicht erklären, das vermutlich von der Suchterkrankung ihrer Mutter während der Schwangerschaft herrührte. Die Realitätwar grausam, aber verlässlich. Wie sollte sie an Magie glauben?
»Dann bist du so etwas wie ein … Zauberer?« Sie trat einen Schritt zurück. Durch den Abstand zwischen ihnen fror sie mehr als durch die winterlichen Temperaturen. Weil sie sich bereits auf dem Nachhauseweg und in einer halbwegs vertrauten Gegend befand, gelang es ihr jedoch, die Fassung zu wahren.
»Ich habe dich gewarnt, dass du an deiner Wahrnehmung zweifeln wirst.« Er streckte die Hand nach ihr aus. »Das ist erst der Anfang.«
Layla wich nicht aus. An ihrer Wahrnehmung zweifeln?
Nein, nein. Es war viel schlimmer. Vielmehr … bestätigte er ihre Wahrnehmung. Denn wenn dieser Kerl einen magischen Spiegel besaß, war der ganze Mist, den sie ihr Leben lang gesehen hatte, vielleicht ebenfalls real.
Oh Gott, ihr wurde übel. An diese Möglichkeit wollte sie nicht denken.
»Die Geister – haben sie eine Krankheit oder … sind sie magisch?«
»Magisch.«
»Und Talia Thorne?«
»Magisch.«
Plötzlich gaben ihre Beine nach. Layla ignorierte seine Hand und sank langsam auf den Bürgersteig. Um sich zu wärmen, schlang sie die Arme um ihren Körper. Das änderte alles.
Eine junge Frau machte einen großen Bogen um sie. Ihr Pullover tragender Shih-Tzu jaulte kurz auf, als sie ihn an der Leine mit sich riss.
»Was ist mit Adam Thorne?«
Khan ragte groß, dunkel und jetzt sehr bedrohlich über ihr auf. »Nicht magisch.«
Habe ich mir gedacht.
Sie konzentrierte sich auf den Park auf der anderen Straßenseite und blickte auf die Lücke in der niedrigen Steinmauer, wo der
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