Zwillingsbrut
als ihm auf der anderen Straßenseite ein großes Fahrzeug mit der Aufschrift ST . BARTHOLOMEW HOSPITAL entgegenkam, das Richtung Grizzly Falls rollte. Erst als er nach Missoula hineinkam, wurde er langsamer, um sich dem Stadtverkehr anzupassen.
Reiß dich zusammen,
ermahnte er sich selbst und trat vor einer Fußgängerampel auf die Bremse, um eine Frau mit Handy über die Straße zu lassen, die die wartenden Autos kaum zu bemerken schien und zielstrebig auf ein Geschäft mit in festlichem Rot und Grün gekleideten Schaufensterpuppen zuhielt.
Die Hände in seinen Autofahrerhandschuhen waren klamm, sein Oberkörper trotz der niedrigen Temperatur im Wagen noch immer schweißgebadet.
Er blickte in den Rückspiegel und vergewisserte sich, dass ihm niemand folgte.
Natürlich nicht. Sobald die Ampel auf Grün sprang, drückte er das Gaspedal durch.
Den Rest der Fahrt kam er unerträglich langsam voran, so kam es ihm vor, seine Gedanken dagegen rasten mit Überschallgeschwindigkeit durch seinen Kopf. Kurze, scharfe Bilder von denen, die er seine Geschwister nannte – tot und lebendig –, sowie von dem Miststück, das ganz versessen darauf zu sein schien, alles zu zerstören.
Er zwang sich äußerlich zur Ruhe und lenkte den Lexus auf den Parkplatz am Verwaltungsgebäude der väterlichen Firma. Ihr Wagen stand auch da.
Sein Magen verkrampfte sich, und er musste sich zwingen, daran zu glauben, dass nicht alles verloren war.
Noch nicht.
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Kapitel 28
S ie haben mich erwartet?« Kacey starrte den Mann an, der – wenn auch nur genetisch – ihr Vater war. Hatte Maribelle ihr nicht weismachen wollen, Gerald Johnson wisse nichts von ihr? Andererseits war ihre Mutter bekannt dafür zu lügen, genauso wie sie gern Dinge für sich behielt. »Dann wissen Sie also, dass ich Ihre leibliche Tochter bin? Ich dachte, das wäre ein Riesengeheimnis.«
»Hat Maribelle das behauptet?« Er wirkte beinahe amüsiert, als er sie näher an seinen überdimensionierten Schreibtisch heranwinkte. Die Fenster des riesigen Büros reichten vom Fußboden bis zur Decke, eine Sitzecke war mit einer Ledercouch und passenden Sesseln ausgestattet. Durch die Scheibe hinter ihm sah sie einen weiteren Ententeich, dahinter erhoben sich in der Ferne die Berge, deren Gipfel am grauen Himmel zu kratzen schienen. Der herabfallende Schnee beeinträchtigte ein wenig die Aussicht, doch sie hatte freien Blick auf eine Ecke des Parkplatzes, wo sie einen Cadillac SUV , einen BMW und einen Jaguar erkannte.
Nicht nur ein ganz gewöhnlicher Parkplatz,
dachte sie,
sondern der Parkplatz der Führungskräfte.
»Sie hat mir erzählt, Sie wüssten nichts von meiner Existenz«, sagte Kacey.
»Und du hast ihr geglaubt.«
»Nun, ja. Und jetzt erzählen Sie mir etwas anderes.«
Er deutete auf einen der beiden Besucherstühle auf der anderen Seite seines Schreibtisches. Kacey zog ihren Mantel aus und legte ihn über die Lehne des einen, dann nahm sie zögernd auf dem anderen Platz. An einer Wand waren unübersehbar seine Auszeichnungen, Urkunden und medizinischen Diplome aufgehängt.
»Ich vermute, meine Mutter hat Sie angerufen und gewarnt, dass ich vorhabe, Sie ausfindig zu machen«, sagte Kacey.
»Das hat sie.«
»Was sollte dann die ganze Geheimniskrämerei? Ihr Beharren darauf, Sie aus der Sache herauszuhalten? War das alles nur ein Vorwand? Warum?«
»Deine Mutter hat versucht, so zu tun, als wäre das Baby – als wärst du – von Stanley. Natürlich habe ich das nicht geglaubt. Sie hatte sich seit Jahren bemüht, schwanger zu werden, und dann, nachdem wir zusammen gewesen waren, war sie es tatsächlich, da lag die Wahrheit für mich auf der Hand.« Er holte tief Luft und atmete schwer aus. »Zu dem Zeitpunkt ging unsere Affäre schon dem Ende zu. Ich hatte vor, die Firma von Helena hierher zu verlegen, und deshalb …«, er beugte sich vor, die Hände gefaltet, die Unterarme auf dem Schreibtisch, »… sah ich keinen Grund dafür, sie aufrechtzuerhalten. Wir waren beide verheiratet, keiner von uns wollte die Scheidung, also … haben wir es dabei belassen. Ich habe deiner Mutter ihr Hirngespinst, ich wüsste nichts von dir, nicht nehmen wollen. So war es leichter.«
»Für wen?«, fragte Kacey vorsichtig.
»Für alle. Auch für dich.«
»Wie rücksichtsvoll«, sagte sie. Die Empörung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. »Sie wissen doch gar nichts über mich.«
»Da liegst du falsch. Natürlich habe ich dich ausfindig gemacht,
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