Zwischen den Zeilen
hat mich auch all seinen anderen Freunden vorgestellt. Neben Paul und Moritz gibt es noch Max, den Typen vom Grill, auf dessen Schürze wohl etwas furchtbar Lustiges stehen muss, auch wenn ich mir trotz einiger Sprüche noch nicht so recht zusammenreimen kann was, und dann sind da noch Thorsten, Boris, Chris und Sven. Sven ist mit Anne zusammen. Und Thorsten mit Saskia. Magda, die gerade neben mir am Rand der Terrasse sitzt, ist ohne Anhang da.
Im Gegensatz zu anderen Menschen habe ich eigentlich kaum ein Problem, mir die Namen neuer Leute zu merken und sie Gesichtern zuzuordnen.
»Oh, ich… nichts«, sage ich und schäme mich ein bisschen für die Antwort. Auch wenn Magda es vermutlich nicht böse meint, sondern einfach nett sein und mich in ein Gespräch verwickeln will, damit ich mich nicht langweile. Denn Josh unterhält sich grade ziemlich angeregt mit Thorsten und Chris, dem Kerl mit der Brille, und ich sitze blöde etwas abseits auf der Stufe zum Eingang mit einem Teller Kartoffelsalat in der Hand.
»Oh, ach so. Ich dachte, du kennst ihn vielleicht aus der Redaktion«, sagt Magda und stochert ebenfalls in ihrem Salat.
»Nein, wir haben uns auf einer Hochzeit getroffen«, erzähle ich.
»Oh, wie romantisch.« Sie lacht. »Dann bist du bestimmt der Neffe von Natis Mann?«
»Nein«, sage ich und schüttle den Kopf. Offensichtlich verwechselt sie mich mit diesem drögen Typen von neulich, dem Josh erzählt hat, ich wäre sein Exfreund.
»Ich kenne Nati flüchtig vom Zumba«, schickt Magda meinem augenscheinlich irritierten Blick schnell eine Erklärung hinterher.
»Zumba«, sage ich und bemühe mich, nicht allzu verwundert zu klingen. So, als würde sie regelmäßig Zumba machen, sieht sie nun nicht grade aus.
»Kennst du bestimmt, oder?«, sagt sie und mustert dabei meinen Oberarm.
»Hm«, brumme ich. Ich steh nicht so auf Hühnerkurse. Wenn ich mit Daniel im Fitnessstudio bin, trainiere ich nur an den Geräten.
»Und was machst du so?«, nimmt Magda das Gespräch wieder auf.
»Mehr an den Geräten. Außerdem gehe ich regelmäßig Laufen…«
»Ich meinte eher beruflich.« Sie lacht. Und natürlich komme ich mir wir ein Idiot vor.
»Ich bin… ich arbeite im Blattgold «, erkläre ich mich. »Das ist ein Blumenladen in Pöseldorf. Ich bin… Florist.«
Auch das ist im Grunde gelogen. Ich hab nicht mal einen Schulabschluss. Vielleicht werde ich, falls es mit dem Kurs klappt, am Ende ja doch noch zur Berufsschule gehen und die Ausbildung nachholen. Eigentlich würde ich das gerne, schon Daniel zuliebe, um ihm vielleicht ein bisschen was zurückzugeben und ihn einmal stolz auf mich zu machen. Richtig jetzt und nicht nur, wenn ich irgendwas Tolles mit Blumen gemacht hab.
Allerdings weiß ich nicht, wie ich das Josh erklären soll. Aber vermutlich sind wir bis dahin ja sowieso nicht mehr zusammen, weil ich längst aufgeflogen bin. Der Gedanke daran schnürt mir, zusammen mit dem Lächeln, das er mir grade quer über den kleinen Innenhof schenkt, bevor er ein bisschen verlegen an einer Zigarette zieht, die Kehle zu.
***
»Langweilst du dich?«, erkundigt er sich, als wir mithelfen, die gebrauchten Teller zurück in die kleine Wohnung zu tragen. Eigentlich besteht sie nur aus einer einigermaßen geräumigen Wohnküche und Pauls Schlafzimmer. Paul ist nett. Und auch Joshs andere Freunde sind es. Sie bemühen sich wirklich mich einzubeziehen. Nur Moritz hat mittlerweile so viel getrunken, dass er sich nicht mehr an irgendwelchen Unterhaltungen beteiligt.
Josh hat mir vorhin gesteckt, dass er schwul und ein ziemlicher Aufreißer ist, aber das hätte ich auch so bemerkt. Ansonsten war es eigentlich eine nette Party. Keine größeren Katastrophen bisher. Nur ein paar kleinere, die wohl niemand bemerkt hat, aber das bin ich ja gewohnt.
Nach der Kippe hat er sich zu mir auf die Terrasse gesetzt und sich mit einem »Hey, schöner Mann« an mich geschmiegt.
»Hey«, hab ich erwidert und meinen Arm um ihn gelegt.
»Hast du dich nett unterhalten?«
»Mhm«, behaupte ich. Ein durchschnittlicher Mensch lügt ungefähr zweihundertmal am Tag. Männer häufiger als Frauen. Hab ich irgendwann mal in einer Gesundheitssendung auf N3 gesehen. Es sind kleine Notlügen. Um den anderen nicht zu verletzen. Weil man keine Diskussion anzetteln will oder weil es nicht so wichtig ist.
»Ich hoffe, das war okay?«
»Sie hat mich gefragt, ob ich studiert hab«, sage ich leise und wieder schäme ich mich ein wenig
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