Zwischen den Zeilen
sollte ihr vielleicht Blumen dafür schenken…
»Für meine Mutter. Einfach so, also… kein Anlass.«
»Einen Strauß oder eher eine Topfpflanze?«, fragt er freundlich. Anscheinend ist es nichts Besonderes, seiner Mutter einfach mal Blumen zu schenken. Macht mir direkt ein schlechtes Gewissen.
»Eher ein Strauß«, antworte ich und räuspere mich dann ein bisschen. Da ist ein Kratzen in meinem Hals. Hoffentlich muss ich nicht husten.
»Haben Sie sich schon umgesehen?«
»Nein, ich… bin ziemlich planlos«, gebe ich zu und lächle. »Ich kauf nicht so oft Blumen.«
»Vielleicht suchen Sie einfach ihre Lieblingsfarbe aus. Ich kann Ihnen aus so ziemlich allem hier einen Strauß binden.«
»Oh, okay.« Ich trete vom Verkaufstresen zurück und sehe mich um. Auf einer weiteren Anrichte ist ein Gedeck vor einem Kerzenleuchter arrangiert, der so ähnlich geschmückt ist wie neulich auf Natis Hochzeit. Ein bisschen extravaganter vielleicht. Gefällt mir besser. Links daneben liegt ein kugeliger Strauß aus Rosen und anderen Blumen. Es sind auch ein paar Äste drin.
»Rosen?« Er ist hinter mich getreten. Ziemlich nah. Oh Gott…
»Ich… der hier ist ganz hübsch.« Zaghaft deute ich auf den Strauß. »Sie haben sowieso… sehr schöne Blumen.«
Sie haben sehr schöne Blumen? Shit… so bescheuert, dass er mir jetzt noch seine Nummer gibt, kann er gar nicht sein.
»Danke«, bedankt er sich artig.
»Ich war auf der Hochzeit. Samstag, vorletzte Woche…« Ich spüre, wie ich rot werde. Zum Glück steht er immer noch hinter mir.
»Ich weiß«, sagt er, tritt dabei neben mich und seine Stimme klingt rau und ein bisschen leiser als noch gerade eben. »Wir haben uns in der Kirche gesehen.«
»Ja, stimmt… ich bin... zu früh gekommen.«
»Stimmt, aber sonst passiert das nicht so oft«. Er grinst.
»Ich...« Jetzt werde ich vollends rot. Schnell weise ich mit dem Kopf in Richtung des Straußes auf der Anrichte. »Ich nehme dann... den da...«
»Sechsunddreißig Euro«, sagt er, hält mir den Strauß noch mal zur Begutachtung hin und dreht sich dann zum Tisch, an der Wand hinter dem Verkaufstresen. Ich fass es nicht, das sind... sieben Schachteln Zigaretten.
Er zieht eine Lage Folie von einer großen Rolle, die in einer Vorrichtung an der Wand hängt, und wickelt ihn ein. Ungehemmt starre ich auf seinen Hintern. Das muss bei diesem Preis echt drin sein.
»Alles in Ordnung?« Er lacht leise, als er sich umdreht.
»Oh ja, ich…« Ich kann spüren, dass ich schon wieder rot werde – oder es immer noch bin. Hektisch fummle ich mein Portemonnaie aus der Hosentasche und nehme einen Fünfzig-Euro-Schein heraus.
»Danke.« Er greift danach und seine Finger kommen meinen so nah dabei, dass ich sie fühlen kann. Ich schätze, jetzt wäre dann wohl der Moment, ihn irgendwie in ein Gespräch zu verwickeln.
»Die Blumen auf der Hochzeit waren ziemlich schön«, sage ich also. Nicht gerade geistreich. Und ich glaube, das hab ich vorhin schon mal gesagt.
»Danke«, sagt er und tut so, als würde er es nicht bemerken.
»Ich wusste gar nicht, dass es hier in Pöseldorf so einen coolen Laden gibt. Ich bin selten in der Gegend.«
Er erwidert nichts, aber seine Augenbrauen zucken und er lächelt. Ziemlich hinreißend. Das interpretiere ich jetzt wenigstens mal nicht als Abneigung.
»Gibt ja auch ein paar ganz nette Kneipen und Restaurants hier«, werde ich also mutiger. Denn in der Tat kann man hier und im Grindelviertel ganz gut ausgehen. Vielleicht könnte ich einen Bericht darüber vorschlagen. In der Redaktion. Oder ich könnte so tun, als würde ich einen vorbereiten. Jetzt zum Beispiel.
»Mhm.« Er nickt.
»Wo kann man denn hier so ausgehen?«, frage ich ihn also und schiebe, als er ein bisschen komisch schaut, ein betont lässiges Recherche nach.
»Recherche?«
»Ich arbeite bei der Stylish . Kennst du vielleicht.«
»Nee«, sagt er mit einem Kopfschütteln. Fuck!
»Ist ein Lifestyle-Magazin. Ich bin Journalist«, erkläre ich und hoffe, dass es ihn beeindruckt. Dass ich eigentlich noch studiere, nur der Praktikant bin und dieses Schmierblatt auch nicht meine erste Wahl war, lasse ich, genau wie meinen Nebenjob in der Porno-Videothek, von dem ich meine Miete bezahle, mal eben unter den Verkaufstresen fallen. Denn falls er mich von dort kennt, behält er das sowieso lieber für sich.
Und außer in der miserablen Bezahlung unterscheidet sich mein Job in der Redaktion aktuell von dem eines Redakteurs sowieso
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