Zwischen den Zeilen
zwecklos sein. Denn er ist tatsächlich so ziemlich mein Typ. Und schon deswegen werde ich die Nummer auf diesem Papier da ganz sicher nicht anrufen. Außerdem weiß ich ja noch nicht einmal, wie er eigentlich heißt.
***
»Denkst du immer noch darüber nach, ob du ihn anrufen sollst?« Offenbar hat Daniel Spaß daran mich aufzuziehen. Mittlerweile ist es Nachmittag und ich hatte den Typen beinahe schon wieder vergessen. Auch, wenn ich nicht allzu viel zu tun hatte und mich dabei ertappt hab, kurz drüber nachzudenken, ihn wirklich anzurufen.
»Wen?«, frage ich, als wüsste ich nicht, worauf er hinauswill und mustere dabei prüfend mein Werk. Der neue Strauß macht sich gut auf der Anrichte. Ich hab die restlichen Ranunkeln mit Tulpen und Islandmohn in der großen Vase zusammen mit Freesien arrangiert.
»Den Reporter mit dem süßen Hintern«, neckt Daniel mich.
»Ach den… schon wieder vergessen«, behaupte ich. Ist gelogen. Denn ein bisschen mach ich mir immer noch Gedanken darüber, ob auf dem Papier, das ich vorhin in den Mülleimer unter dem Kassentresen geworfen hab, tatsächlich seine Privatnummer stand.
»Sieht man«, bemerkt Daniel ironisch.
»Ich hol die Nummer ganz sicher nicht wieder aus dem Müll«, sage ich bestimmt. Ich werd ihn nicht anrufen. Ganz sicher nicht. Auch wenn er mir wirklich gefallen hat.
Vielleicht war es also ein bisschen Selbstschutz, dass ich vorhin die Stängel und das restliche Grün auch unter dem Kassentresen entsorgt habe. Dafür gibt es eigentlich den Abfallbehälter im Schnittraum. Und den Container hinten im Hof. Aber irgendwie wollte ich wohl sichergehen, dass ich die Nummer in einem schwachen Moment nicht doch wieder aus dem Papierkorb ziehe.
»Komm schon, Ben«, fordert Daniel mich auf.
»Lieber nicht. Außerdem hatten wir eine Abmachung«, erinnere ich ihn.
»Ich weiß, ich wollte mich raushalten. Aber ich finde einfach, du solltest mal wieder ausgehen.«
»Ich war erst letzte Woche im SixtyNine «, erinnere ich ihn. »Außerdem fühl ich mich ganz gut ohne feste Beziehung. Man muss nichts erklären…«
»Ist es immer noch wegen dieser Sache mit Felix?«, unterbricht mich Daniel, tritt hinter mich und streicht sanft mit der Hand über meinen Rücken.
»Nein«, behaupte ich trotzig. »Nicht deswegen… jedenfalls nicht nur.«
»Ben…« Daniel schlingt seine Arme um meine Brust.
»Ist schon okay, es geht mir gut«, bemühe ich mich. Aber irgendwie klinge ich ziemlich jämmerlich.
»Es ist lange her«, versucht er und legt sein Kinn auf meiner Schulter ab. »Und nicht jeder Kerl ist so bescheuert wie Felix. Du bist ein toller Mann, Ben. Trotzdem…« Seine Hände streichen liebevoll über meine Brust. Es fühlt sich gut an. Irgendwie geborgen. Und ich fühle mich klein. So, als wäre ich wieder acht Jahre alt.
»Nett von dir.« Ich lege den Kopf nach hinten, schließe die Augen und versuche, das Gefühl zu verdrängen, das sich spätestens seit Daniels trotzdem in meiner Brust breitmacht. Aber wie immer funktioniert es nicht. Es ist da. Mit einem Mal. Ganz egal, ob ich will oder nicht, auch wenn ich mittlerweile ziemlich gut darin bin, es im Alltag zu ignorieren. Es ist, wie es ist. Und ich komme klar.
»Ja, ich weiß…« Aber am Ende sind dann doch alle Männer so. Jedenfalls diese Art Mann, wie Felix es war. Ich sollte vielleicht einfach mal versuchen, mich in eine andere Art zu verlieben. Und solange, bis ich weiß, wie das geht, verliebe ich mich einfach überhaupt nicht und mache weiter wie bisher. Ich vermisse nichts. Und wenn mir nach Sex ist, dann ziehe ich los und suche mir irgendeinen Kerl mit hübschem Hintern. Ohne Gefühle, einfach nur Sex. Denn so etwas wie damals, als ich meine einzige Beziehung, die ich je hatte, an die Wand gefahren hab, will ich nicht noch einmal erleben. Ich weiß, ich bin selbst Schuld, dass es am Ende so gelaufen ist. Es war der falsche Zeitpunkt und ich hätte es ihm viel früher sagen müssen, aber irgendwie konnte ich es nicht, weil ich nicht wollte, dass er dann geht.
Er ist trotzdem gegangen… und es war zu verletzend und zu demütigend, um es noch einmal zu ertragen, auch wenn Felix mit vielem, was er mir bei unserem Streit gesagt hat, recht hatte. Ich weiß das, aber ich will es nicht hören, weil es nichts verändert.
Ich hatte mir vorgenommen, etwas zu verändern, als er gegangen ist. Aber ich hab's nie getan. Es hätte ihn nicht zurückgebracht und im Grunde hatte ich es wohl nicht anders verdient.
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