Zwischen den Zeilen
ich sollte wohl schlafen gehen. Morgen muss ich zum Großmarkt. Schließlich will ich Daniel nicht noch einmal versetzen.
Auf halbem Weg lege ich das Handy auf der Bar ab. Idiotisch, auf eine Nachricht von ihm zu hoffen. Vielleicht würde ich ihm eine schreiben, wenn ich es könnte. Aber wenn ich es könnte, dann wäre all das zwischen uns niemals passiert.
***
»Hey, ich bin's. Bist du noch wach?« Ich konnte nicht anders, als ihn zurückzurufen.
»Denkst du, du verlässt mich und ich kann schlafen oder was?«, faucht er mir entgegen. Ich fürchte, seine Bitte, dass ich mich bei ihm melden soll, war nicht, weil er noch mal mit mir reden will.
»Ich dachte nur wegen deiner SMS, ich…« Sie war einfach da, als ich aus dem Bad gekommen bin. Ich konnte nicht schlafen gehen, ohne noch mal nachzusehen. Hoffnung ist ein Arschloch.
»Warst du im Casa Blanca ?«, fragt er nach.
»Nein«, gebe ich zu.
»War ja auch irgendwie klar«, stellt er fest.
»Josh… ich…« Ich weiß nicht, was ich ihm noch sagen soll.
»Ich wollte nur fragen, wann ich meine Sachen holen kann.« Seine Stimme ist so kalt, dass ich nicht sicher bin, ob er es wirklich ist ,und jedes seiner Worte trifft mich mit einer Wucht, die ich nicht erwartet hätte. Und ich hasse mich dafür, dass ich ihn angerufen hab.
»Sie sind in meiner Tasche. Ich hab sie stehen lassen. Aber ich brauch sie Samstag, ich fahr mit Freunden nach Dänemark ans Meer.«
»Okay«, sage ich und presse meine Lippen so fest zusammen, dass es wehtut. Ans Meer mit Freunden. Anscheinend kommt er besser mit der Trennung klar als ich.
»Passt dir morgen?«, will er wissen. Und ich sehe ihn, in Dänemark am Meer. Wind in den Haaren, sein Lachen, barfuß, die Jeans hochgekrempelt, ein offenes Hemd... seine Mädchenaugen, die schmale Brust, die schönen, dunklen Nippel, sein Bauch, seine vorstehenden Hüftknochen… Ich hab ihn so oft angelogen… all die ganze Zeit... um glücklich zu sein… aber ich glaube, ich hab's niemals mehr getan, als in diesem Moment, in dem ich ihm gesagt hab, ich würde ihn nicht mehr lieben...
Wahrheiten
Josh
Mit einem Seufzen schnippe ich den Zigarettenstummel vor mir auf den Asphalt. Er landet ein paar Zentimeter neben dem ersten. Mit kreisenden Fußbewegungen trete ich ihn aus und kurz denke ich über eine dritte Zigarette nach. Aber ich hab nur noch zwei und die Packung ist von gestern. Normalerweise reicht mir locker eine Schachtel die Woche. Schon krass, wie viel ich seit vorgestern geraucht hab. Neunzehn Stück. Ich hab mir an der Tanke auf dem Nachhauseweg gleich eine XL-Packung mitgenommen. Und dazu eine Familienpackung Taschentücher. Tränen mit dem Ärmel abwischen, ist irgendwie scheiße…
Zu Hause hab ich einfach die Tür hinter mir zugezogen und mich aufs Bett fallen lassen. Er hat nicht oft hier geschlafen, meistens waren wir ja bei ihm, aber trotzdem roch irgendwie alles nach ihm. Ich sollte renovieren. HSV-Tapete gibt es demnächst vermutlich sowieso im Sonderangebot.
Ich hab ziemlich wenig geschlafen. Eigentlich überhaupt nicht. Auch nach Essen war mir nicht wirklich. Vermutlich kommt daher das flaue Gefühl in meinem Magen und die leichte Übelkeit, die grade in mir hochsteigt, jedenfalls rede ich mir das ein.
Es kommt nicht von der Sehnsucht, die ich nach ihm habe, und auch nicht vom Schmerz, den dieser blöde Klumpen, dort, wo mal mein Herz war, in jeder Zelle meines Körpers verursacht. Es ist vorbei. Ben und ich sind Geschichte. Und ich komme klar… irgendwie… und irgendwann vielleicht. Aber nicht jetzt… noch lange nicht... Verdammte Scheiße! Ich könnte schon wieder heulen… Ich muss mich echt zusammenreißen, damit ich's nicht tue… Mitten auf der Straße kommt das nicht sonderlich gut…
Resignierend fummle ich die Schachtel aus meiner Hosentasche, nehme das Feuerzeug heraus und stecke mir noch eine an. Scheiß drauf! Nicht der beste Zeitpunkt aufzuhören, immerhin hat mein Freund mich grade verlassen. Und ich gebe mich dem Klumpen Schmerz in meiner Brust hin und stehe wohl auch sonst ein bisschen neben mir.
Ich nehme noch einen Zug, lehne mich an einen der Poller und sehe über die Straße hinüber zum Blattgold . In der großen Schaufensterscheibe hinter der üppigen Auslage, die den halben Bürgersteig einnimmt, spiegelt sich der Verkehr. Ich kann nicht hi-neinsehen und ich hoffe, er nicht hinaus. Vielleicht hätte ich mich strategisch günstiger platzieren sollen.
Es ist
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