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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Rußwurm scheißt doch wohl auf diesen neumodischen Kram«, so hatte einer der richtig alten Füchse in der Abteilung die Sache zusammengefasst.
    Rußwurm war der Spitzname des Chefs, auch wenn er nie offen so genannt wurde. Der Name war ihm verpasst worden, weil er immer ein warmer Fürsprecher der alten klassischen Technik gewesen war, Fingerabdrücke mit Hilfe von Pinsel und Kohlenstaub sicherzustellen. Fingerabdrücke überhaupt waren Blenkes große Leidenschaft. Er wurde nur dann richtig leidenschaftlich und aufgewühlt, wenn er auf das zu sprechen kam, was er den Großen Verrat nannte, nämlich den traurigen Umstand, dass man zu Beginn des Jahrhunderts und offenbar in der gesamten westlichen Welt die Kohlenstaub-Technik aufgegeben hatte, um stattdessen eine Menge anderer geheimnisvoller Pulver, Flüssigkeiten, Lichtstrahlen oder sogar Gase zu verwenden, die auf die gesuchten Abdrücke chemisch reagierten und die für einen normalen Menschen einfach unbegreiflich waren.
    »Gas hier und Gas da, das einzige Gas, das wir bei der Polizei, brauchen, ist ja wohl Tränengas«, wie Blenke so treffend die Debatte beendete, als die Frage einmal bei der Morgenbesprechung der Abteilung zur Sprache gebracht wurde.
    Und wie immer war es natürlich dieser Arsch Olsson, Dr. Olsson, wie die Kollegen ihn nannten, obwohl er doch wie alle anderen nur die Grundschule besucht hatte, der vorschlug, sich doch einmal etwas näher mit diesen neuen Methoden zu beschäftigen. Und wer sollte das tun, wo doch alle Bücher zum Thema auf Ausländisch waren? Gute Kontakte schien Olsson aber immerhin zu haben, das hatte sich erst kürzlich gezeigt, als der Ombudsmann ihn trotz seiner betrüblichen Fehlleistungen im Zusammenhang mit den Morden an den drei türkischen Drogendealern vor jeglicher Strafe bewahrt hatte, und dabei hatte Wiijnbladh sich doch alle Mühe gegeben, um für die dazugehörigen Ermittlungen wirklich vollständige Unterlagen zu liefern.
    Aber offenbar hatte dieser Streber Johansson, der Chef des Landskriminalamtes, es vorgezogen, die Sache zu bagatellisieren, und deshalb ein erstaunlich schlaffes Gutachten verfasst, das der Ombudsmann sich offenbar zu Herzen genommen hatte.
    Das Ganze ist einfach unerklärlich, dachte Wiijnbladh. Was kann ein Streber wie Johansson, der bekannt dafür ist, dass er im Notfall auch über die Leichen von Kollegen geht, für einen Nutzen daraus ziehen, dass er einem Stümper wie Olsson den Rücken deckt? Wahrscheinlich kam darin nur die allgemeine Arroganz und Leichtfertigkeit zum Ausdruck, die Leute wie Johansson kennzeichnete, den Schlächter aus Ädalen, wie gewisse Kollegen bei der Bereitschaftspolizei ihn nannten. Wiijnbladh selbst war bisher nur ein hochrangiger Beamter in der Truppe begegnet, der die moralische Rechtschaffenheit, das Wissen und die Fähigkeit zu praktischem Handeln besaß, die man von allen Personen auf diesem Niveau doch erwarten konnte. Und das war der Leitende Polizeidirektor Claes Waltin von der Sicherheitspolizei, dachte Wiijnbladh voller Wärme. Ein Mann, der ihn noch dazu schon mehrmals aufgesucht hatte, um ihn in technischen Fragen, die die interne Abteilung interessierten, um seinen Rat zu bitten.
    Wenn das nur möglich wäre, dann würde er ihn persönlich zu diesem Essen für Blenke einladen, aber aus Kostengründen musste die Menge der nicht zur Abteilung gehörenden Gäste auf ein Minimum reduziert werden. Und wenn er an das Lokal und die übrigen Feierlichkeiten dachte, die die Mehrzahl im Festkomitee gegen seinen ausdrücklichen Willen durchgesetzt hatte, dann war es sicher nur gut so. Waltin auf einer Finnlandfähre, dachte Wiijnbladh erschauernd.
    Für allzu viele seiner Kollegen war die Grenze zwischen Fest und Seminar leider sehr beweglich. Ein Seminar war ein Fest, das der Arbeitgeber bezahlte, und die mit Abstand beliebtesten Seminare der Stockholmer Polizei fanden auf der Finnlandfähre statt, die leider – mitten im Ausbruch von Sauferei, Kauforgie und allgemeiner Sittenlosigkeit, die doch der Sinn der Sache war – außerdem noch Seminarräume anbieten konnte. Als eine Art Alibi, dachte Wiijnbladh, und ab und zu konnte der Kummer, den er dabei dann immer empfand, in Ohnmacht und Verzweiflung umschlagen.
    Offenbar waren die Kollegen außerdem schon hinter seinem Rücken tätig geworden und hatten sich an das Reisebüro gewandt. Da die technische Abteilung seit vielen Jahren eine feste Kundin der Reederei war, war es auch kein Problem gewesen, allerlei

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