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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Krassners Existenz oder davon haben konnte, dass seine jugendlichen Überzeugungen ihn jetzt eingeholt hatten. Denn im Fall der Fälle war Unwissenheit wohl noch schlimmer als aktive Einmischung. Die politische Empörung würde gewaltige Wellen schlagen, und Nation, Partei und Opposition würden ihre Begeisterung durchaus in den Griff bekommen. Manche würden sich natürlich köstlich amüsieren, aber so war es wohl immer.
    Aber daran denken wir jetzt nicht, so schlimm muss es ja nicht kommen, entschied der Sonderbeauftragte und wandte sich wieder Berg und Waltin zu. Diese beiden Finsterlinge hatten diese überaus missratene Geschichte ja schließlich angezettelt und durchgeführt und trugen dafür die Verantwortung. Wussten sie überhaupt, was wirklich passiert war? Vermutlich nicht, dachte er. Davon, dass Berg nichts wusste, war er fast schon überzeugt. Waltin war ihm ja nie begegnet, aber wenn Forselius’ Beschreibung zutraf, dann war er wohl kaum der zuverlässigste Arbeiter im sicherheitspolizeilichen Weinberg. Vermutlich wissen oder ahnen die gar nichts, dachte der Sonderbeauftragte. Und wenn doch, dann muss es in ihrem Interesse liegen, alles zu verschweigen. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
    Dann durfte er ihnen jetzt nicht auf die Pelle rücken und sie in die Enge treiben, dass sie sich nicht mehr rational verhielten, sondern nur noch wild um sich schlugen. Hier haben wir wirklich ein kleines Problem, dachte der Sonderbeauftragte, da er ja die treibende Kraft hinter dem geheimen politischen Entschluss gewesen war, die so genannte externe Tätigkeit einzustellen oder zumindest gewaltig zu reduzieren und nebenbei Berg und seine Mitarbeiter Männchen machen zu lassen, indem sie deren Leben mit einer weiteren parlamentarischen Untersuchung der Sicherheitspolizei verdüsterten. Was für ein Glück, dass dieser Johansson rechtzeitig aufgetaucht war. Der Sonderbeauftragte fühlte sich fast ein wenig beschwingt bei der Vorstellung, wie er nun seine Umwelt von der Notwendigkeit überzeugen konnte, die notwendigen Reformen unverzüglich durchzuführen.
    Forselius, dachte er. Was mache ich mit dem? Beim Gedanken an das, was er jetzt wusste, bereute er schon, ihn angerufen und nach Fionn gefragt zu haben. Der Alte ging zwar auf die achtzig zu und soff wie ein Loch, aber an seinem Kopf war nichts auszusetzen. Ich sollte ihn vielleicht zum Essen einladen, dachte der Sonderbeauftragte, schlimmstenfalls kann ich seine Portion ja vergiften.
    Der Sonderbeauftragte hatte Tage, Monate und Jahre seines Lebens mit Überlegungen zu der Frage verbracht, wie man die von Schweden in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in aller Heimlichkeit geführte Sicherheitspolitik politisch desavouieren könnte. Zusammen mit Forselius hatte er sogar Seminare arrangiert, auf denen dieses Thema analysiert und diskutiert worden war. Nur wenige waren dazu eingeladen worden, man hatte höchstens zu siebt am Tisch gesessen, und alle Teilnehmer hatten die übliche Schweigeverpflichtung unterschreiben müssen.
    Natürlich hatte man Persönlichkeiten eingeladen, die mit dem Stand der Dinge bereits vertraut waren, und auf diese Weise keine Zeit mit Erklärungen vergeuden müssen. Politiker und Militärs waren natürlich in der Mehrzahl, aber es gab auch Historiker, Presseleute und Firmenchefs, die sich auf irgendeine Weise die entsprechenden Kenntnisse verschafft hatten, eben die übliche Minderheit von denkenden Menschen, die durch ihr Denken die Lage durchschaut hatten. Man hatte natürlich nicht alle einladen können, das wäre kontraproduktiv und dysfunktional gewesen und hätte den angestrebten Zielen widersprochen, aber da der Sonderbeauftragte und Forselius beide nur mit Leuten zu tun haben wollten, die etwas Wesentliches zu sagen hatten und außerdem ihre Ansichten teilten, war die Anzahl der Eingeladenen kein Problem gewesen.
    Was Schweden betraf, so ließen sich die jähre seit Ende des Zweiten Weltkriegs in sicherheitspolitischer Hinsicht am ehesten mit einer Wanderung über dünnes Eis vergleichen. Was mochte der große Nachbar im Osten gerade aushecken? Allem zu Grunde lag eine fast vierhundertjährige Geschichte ständiger Kriege und politischer Auseinandersetzungen mit dem russischen Erbfeind. Einem Land, das bei Kriegsende von Josef Stalin geleitet wurde und das in geografischer Hinsicht dem schwedischen Territorium noch nie so nahe gewesen war. Die Russen standen in Finnland, in den Baltischen Ländern, in Polen, in Deutschland und

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