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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Sonderbeauftragte.
    Als sie dann die Brieftasche des Toten durchsahen, ein altmodisches, solides Teil aus braunem Leder, das er immer in der Hintertasche gehabt hatte, fanden sie einen zusammengefalteten Briefumschlag mit der in Forselius’ Handschrift verfassten Aufschrift: »Im Falle meines Todes.« Im Umschlag steckte ein Zettel mit einer weiteren kurzen handschriftlichen Mitteilung: »Man soll sterben, wenn es am lustigsten ist. JF«, und wenn man nach den üblichen forensischen Zeichen gehen konnte, konnte er das gut vor einem halben Jahrhundert geschrieben haben, als er in dem geheimen Haus am Karlaplan saß und Codes knackte.
    Verdammt, dachte der Sonderbeauftragte. Er fehlt mir schon jetzt.

 
XVII
 
Und alles, was blieb, war die Kälte des Winters
     

 
Mallorca im Februar
     
    Oedberg war aus Javas feuchter Hitze in sein Häuschen im Norden Mallorcas zurückgekehrt, wo er seit fast zehn Jahren im erzwungenen Exil lebte. Doch nach der Landung in Palma wehte ihm ein erfrischender Frühlingswind entgegen, es war zwar erst die erste Februarwoche, aber das Thermometer zeigte bereits zwanzig Grad, über das Wetter konnte er sich also wirklich nicht beklagen. Er hatte seinen Wagen vom Langzeitparkplatz geholt, wo er ihn vor einem guten Monat abgestellt hatte, und war in sein Haus in den Bergen im Norden von Alcudia gefahren. Es gibt schlimmere Tage als diesen, dachte er.
    Nicht alle Tage waren gut gewesen. Wenn er daran dachte, dass er nicht einmal zum Verhör geholt und erst recht nicht vor Gericht gestellt oder verurteilt worden war, dann war er doch einem empörenden Justizmissbrauch zum Opfer gefallen. Seinen Job hatte er natürlich behalten dürfen, aber das viele Getuschel in den Gängen, das plötzliche Verstummen, wenn er den Pausenraum betrat, die Kollegen, die ihn schnitten, das alles hatte ihm das Leben zur Hölle gemacht. Und hinter einem Schreibtisch fühlte er sich einfach nicht wohl. Das alles bloß, weil er sich von einem kleinen Gauner und einem Penner befreit hatte, die ihm Geld abzupressen versuchten, das doch mit Fug und Recht ihm gehörte.
    Das Angebot, in die externe Tätigkeit überzuwechseln und für Waltin zu arbeiten, war ihm deshalb fast als Befreiung erschienen. Gutes Geld hatte es auch gegeben, einige Male wirkliche Mengen, und er mochte Waltin leiden. Der war ein begabter Mensch mit sehr viel Charme und allerlei interessanten Ideen. Außerdem spürte er, dass auf Waltin Verlass war, es war fast, als seien sie Brüder und zusammen aufgewachsen, obwohl sie sich eigentlich nicht sehr oft trafen.
    Deshalb war er umso erstaunter gewesen, als er die Papiere dieses amerikanischen Journalisten durchgesehen hatte, und zuerst hatte er sich auf irgendeine ungefährliche Weise davon befreien wollen. Nicht, dass er so gut Englisch gesprochen hätte wie Waltin, aber er konnte doch immerhin das meiste verstehen, was in diesen Papieren stand, und zuerst hatte er sogar geglaubt, Waltin habe ihn belogen.
    Aber je mehr er darüber nachdachte, umso unwahrscheinlicher kam ihm das vor. Vermutlich steckten Berg und diese Sozis der neuen Regierung, für die er arbeitete, unter einer Decke, und Waltin war ebenso an der Nase herumgeführt worden wie er selbst. Berg mit seiner scheinheiligen Miene und seinem geölten Mundwerk war natürlich der Richtige gewesen, um die ärgerlichen Tatsachen aus der Welt zu schaffen, auf denen dieser Ami saß. Unterlagen, die bewiesen, was jeder intelligente Mensch schon längst hätte einsehen können: dass das Land von einem Landesverräter und russischen Spion regiert wurde. Dass der sich in seiner Jugend noch dazu bei der CIA eingenistet hatte, hatte Hedberg natürlich nicht geahnt, aber wenn er alles andere bedachte, was dieser Mann verbrochen hatte, wie zum Beispiel seinen besten Freund ermorden zu lassen, dann konnte es ja keine Überraschung sein. Und auch diesmal war er damit durchgekommen. So einer fiel ja immer auf die Füße.
    Waltin war vermutlich ebenso betrogen worden wie er selbst, und wenn er es sich überlegte, war es auch eigentlich nur gut so. Wie sollte er darüber mit Waltin sprechen können? Da hätte er zugleich sein eigenes lebenslängliches Urteil unterschrieben. Wenn er nur ganz sicher sein könnte, dass auf Waltin wirklich Verlass war, dann hätte er keinen Moment gezögert und ihm alles erzählt. Das Problem war nur, dass er in seinem ganzen Leben noch keinem Menschen begegnet war, der sich im Ernstfall als wirklich zuverlässig erwiesen

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