Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
ausstaffiert. Danach hatte er sich in einen Torweg gesetzt, sich bewusstlos gestellt und neben sich eine Papiertüte gelegt, aus der einige grüne Zigarettenpackungen ragten.
»Mentholzigaretten«, erklärte Flannigan. »Frag mich nicht, warum, aber die Nigger sind total scharf auf Mentholzigaretten.«
Johansson und Flannigan standen am Fenster einer kleinen, schräg gegenüber gelegenen Bar. Flannigan hatte als Erstes für jeden ein Bier bestellt.
Ich habe den besten Platz bekommen, dachte Johansson, denn seine beiden Reisekameraden kauerten zusammen mit den örtlichen Kollegen in Wagen, die am Straßenrand abgestellt waren.
»Dann wollen wir mal sehen, ob einer anbeißt«, sagte Flannigan grinsend. »Prost«, meinte er und hob sein Glas.
Es dauerte nur eine Viertelstunde, aber der erste Fisch, der Köder und Haken schluckte, hatte die falsche Farbe. Es war eine Drogensüchtige von Mitte Dreißig. Zuerst ging sie an dem schlafenden Penner vorbei, blieb schließlich an der Straßenecke stehen und sah sich um. Dann ging sie wieder zurück, wurde langsamer, als sie ihn erreicht hatte, schaute sich noch einmal um und riss dann die Tüte mit den Zigaretten an sich.
»Wachsam wie ein Adler«, sagte Flannigan.
»Police, freeze«, und eine Minute später saß sie mit auf den Rücken gepressten Händen auf dem Rücksitz eines dunkelblauen Kastenwagens.
So war es weitergegangen, bis der Wagen voll besetzt gewesen war. Eine Drogensüchtige, zwei echte Penner und einige normale Rotzgören, und mit einer Ausnahme wiesen sie alle die richtige Farbe auf. Alle wurden im Polizeigebäude von Süd-Manhattan in Arrest gesteckt, und danach führte Flannigan sie in sein Stammlokal, wo eine größere Menge Bier konsumiert und dazu die üblichen Heldengeschichten erzählt wurden und wo sie sich ganz allgemein der gemeinsamen abendländischen Polizeikultur widmeten.
Sympathische Jungs, dachte Johansson, ehe er in seinem Hotelbett einschlief. Aber was für ein schrecklicher Arbeitsplatz.
Sonntag, 8. Dezember
Am Sonntag waren Johanssons Reisekameraden mit der frühen Maschine zurück nach Stockholm geflogen. Er war zur Grand Central Station spaziert und hatte sich in den Zug nach Albany gesetzt. Was sie wohl für eine ist?, dachte er. Die Stimme auf dem Anrufbeantworter hatte munter und sympathisch und ganz normal geklungen. Gar nicht so, wie er sich eine Verflossene von John R Krassner vorstellte, einem Mann, der die schlechte Angewohnheit besaß, seine hohlen Absätze mit anderer Leute Privatadressen auszustopfen.
VI
Frei fallen wie im Traum
Stockholm im Oktober
Es geht um einen Journalisten aus den USA«, sagte Kriminalassistentin Jeanette Eriksson. »Er ist am Sonntag aus New York in Arlanda angekommen, und ich habe schon zwei Tipps erhalten, die mit ihm zu tun haben.« Sie zeigte auf ihren Computerbildschirm, und Waltin beugte sich vor, um besser sehen zu können. Da kann ich mich dem Onkel doch gleich auf den Schoß setzen, dachte sie.
»Wie heißt er?«, fragte Waltin und legte vorübergehend seine rechte Hand dicht neben ihre linke.
»Jonathan Paul Krassner, genannt John«, sagte Eriksson, »geboren 1953. Gemeldet in Albany bei New York.« Eigentlich ist er ziemlich attraktiv, dachte sie. Wenn man auf ältere Typen steht.
»Haben wir irgendwas über ihn?«, fragte Waltin und trommelte leicht mit den Fingern auf der Tischplatte.
»Bei uns nicht.« Kriminalassistentin Eriksson schüttelte den Kopf. »Wenn ich außer Haus nachfragen soll, muss das über meinen Chef laufen.« Ob das wohl eine echte Rolex ist?, überlegte sie. Dann muss die ganz schön was gekostet haben. Und sie sah echt aus, kein Zweifel.
»Wir wollen mal nichts überstürzen«, sagte Waltin, lächelte und zeigte dabei seine weißen Zähne. »Was ist das Problem?«
»Problem ist vielleicht zu viel gesagt«, sagte Eriksson und zuckte mit ihren schmalen Schultern. »Der erste Tipp ist vorgestern eingelaufen, und den hab ich einfach nur notiert. Er stammt von einem unserer Journalisten beim staatlichen Fernsehen. Ich kenne ihn nicht persönlich. Scheint Probleme mit dem Alkohol und seiner Fantasie zu haben.« Ob er wohl glaubt, dass ich meinen Fuß wegnehme?, überlegte sie.
»Was konnte er denn erzählen?«, fragte Waltin und lächelte beruhigend.
»Er ist Krassner am Dienstagabend im Presseklub unten auf der Vasagatan begegnet. Ich nehme an, in der Bar, aber das hat er nicht erwähnt. Er wollte seinen Kontaktmann sprechen, aber der
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