Zwischen Diesseits und Jenseits
unmöglich, wenn ich daran denke, was ich alles erlebt habe und noch erleben werde, denn die Nacht ist noch lang.«
»Bist du denn allein?«
»So gut wie. Im Haus oben sitzt die Notbesatzung. Außerdem ist noch Pasquale anwesend. Das ist der Mann, der von diesem fliegenden Monstrum gebissen wurde.«
Ignatius hatte mir davon erzählt. Ich war nicht mehr darauf eingegangen, weil ich durch die anderen Vorgänge abgelenkt worden war. Jetzt musste ich mich damit beschäftigen und fragte: »Hast du dir diesen Pasquale gut angeschaut?«
»Habe ich.«
»Und er ist zu keinem Blutsauger geworden?«
»Nein.«
»Hm...«
»Moment mal, John, glaubst du mir nicht?«
»Ich weiß es nicht, Ignatius. Ich habe meine Erfahrungen sammeln können, und die waren nicht eben positiv.«
»Weiß ich, John. Aber er ist der fliegenden Bestie im letzten Augenblick entkommen, und ich habe mir auch die Wunden genau angeschaut. Ich kenne Vampirbisse, ich weiß, wie sie aussehen. Das war bei ihm nicht so. Da sah die Haut aus, als wäre sie von Krallen aufgerissen worden. So hing sie jedenfalls nach unten.«
»Okay, Ignatius. Sei trotzdem vorsichtig.«
»Du kennst mich doch.«
»Und wie sieht es bei dir aus?«
»Ich werde jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit wir zu dritt bei dir eintreffen können. Diese Welt war eine Projektion meines Traums, der an einer bestimmten Stelle abbrach. Ich lasse mich nicht gern manipulieren und meine Träume ebenfalls nicht. Dass dabei das Hauptquartier der Weißen Macht im Mittelpunkt steht, ist besonders prekär und auch von großer Bedeutung. Da will jemand dir und auch uns an die Wäsche. Leider weiß ich nicht, wer dahinter steckt.«
»Tut mir Leid, John, auch ich habe keinen Verdacht.«
»Gut, Ignatius. Sollte sich noch etwas ereignen, ruf mich an. Ansonsten hörst du von mir.«
»Ja, gem. Bis bald, mein Freund.«
Er legte auf, und ich drückte den Hörer ebenfalls zurück. Hätte ich jetzt in den Spiegel geschaut, ich hätte sicherlich ein sehr blasses Gesicht gesehen, aber das ließ ich bleiben. Jetzt waren andere Aktivitäten wichtiger für mich.
Vor allen Dingen brauchte ich Unterstützung. Suko weckte ich nicht. Ich wusste auch nicht, ob ich ihn mitnehmen wollte. Jetzt musste mein Chef, Sir James, eingreifen, und auch mit Dagmar Hansen würde ich ein längeres Gespräch führen müssen.
Sie, Eric, Father Ignatius und ich. Wenn man es genau betrachtete, waren wir nicht mehr als Schachfiguren in einem teuflischen Spiel, bei dem ein Unbekannter Regie führte. Wobei ich davon ausging, dass dieser Unbekannte sich letztendlich als Bekannter herausstellen würde. Vielleicht sogar als Asmodis persönlich...
***
Das Gespräch mit seinem Londoner Freund hatte Father Ignatius einerseits beruhigt und andererseits nachdenklich gemacht und hatte auch die Furcht in ihm aufsteigen lassen, denn was da auf ihn zukam, war nicht von schlechten Eltern. Es hatte ja erst begonnen, und es würde weitergehen. Die andere Seite würde es nie bei einem Versuch belassen, freiwillig stoppte sie nicht, da musste man schon mit harten Bandagen dagegen angehen.
Das würde John tun, und auch Father Ignatius war nicht eben zimperlich, wenn es um bestimmte Dinge ging. Dass er in dieser Nacht keine Ruhe finden würde, lag ebenfalls auf der Hand. Nach derartigen Ereignissen konnte man einfach nicht schlafen. Zudem hatten John’s Antworten einen bestimmten Verdacht in ihm geweckt.
Er stand am Schreibtisch, stützte sich mit einer Hand auf, hielt den Kopf gesenkt und grübelte. Die Haltung hatte etwas Unnatürliches. Logisch, denn alles, was hier abgelaufen war, konnte man nicht als natürlich und normal ansehen. Ignatius dachte daran, dass er in der letzten Zeit ziemlich viel Ruhe gehabt hatte, aber damit war es jetzt vorbei.
Er würde auch mit keiner anderen Person über die Vorgänge sprechen, die hier abgelaufen waren. Erst wenn die Dinge eskalierten, würde er sein Schweigen brechen und seine hohen Vorgesetzten informieren, wobei auch dann nicht sicher war, ob der Mantel des Schweigens abgedeckt werden würde. Gewisse Dinge sollte man nicht übertreiben, hieß es immer. Erst wenn es keinen anderen Ausweg gab, wurde an die Öffentlichkeit gegangen. Die dichte Glocke hing eben wie ein unsichtbarer Nebel über der Vatikanstadt.
Father Ignatius durchwanderte sein großes Arbeitszimmer. Er hatte dabei die Haut an der Stirn in Falten gelegt und ließ sich noch mal durch den Kopf gehen, was ihm sein Freund aus London
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