Zwischen Diesseits und Jenseits
die Treppe weiter, aber er musste sich nach rechts wenden, denn dort lag nicht nur sein Zimmer, sondern auch das des Bruders Pasquale.
Der leere Flur kam ihm unheimlich vor, auch wenn die Notbeleuchtung ihren Schein verteilte und den Steinboden aussehen ließ, als wäre er mit zittrigen Einschlüssen gefüllt.
Ignatius versuchte, so leise wie möglich zu gehen. Seine Sinne waren gespannt. Er fühlte das Kribbeln auf dem Körper. Auch hier lag die Decke hoch über seinem Kopf, und wenn er hinschaute, hatte er das Gefühl, in die Unendlichkeit zu blicken und damit hinein in andere und fremde Welten.
Das Haus gab ihm keinen Schutz mehr, und darüber dachte er schon nach. Es war immer anders gewesen, doch die letzten Ereignisse hatten ihn aufgewühlt.
Fenster gab es hier nicht, und so musste er sich darauf verlassen, dass draußen alles normal geblieben war.
An seiner Zimmertür ging er vorbei. Ein paar Meter weiter blieb er wieder stehen und drehte sich nach rechts, um auf das dunkle Holz der Tür zu schauen, hinter der Pasquale hoffentlich in seinem Bett lag.
Sein Herz klopfte noch immer stärker als gewöhnlich. Er hörte nichts, aber das Holz war auch sehr dick und saugte viele Geräusche auf.
Er wollte trotzdem nicht so einfach das Zimmer betreten und hielt sich an die Gebote der Höflichkeit.
Er klopfte zweimal an.
Eine Reaktion erlebte er nicht. Auf ein drittes Klopfen verzichtete er und drückte die schwere Klinke nach unten, die noch aus altem Eisen bestand.
Die Tür schwang schwerfällig nach innen. So war es in jedem Zimmer. Das Fenster sah er zuerst, weil es der Tür direkt gegenüber lag. Links befand sich das Bett, an der rechten Seite gab es eine zweite Tür, die zur Toilette führte, in der es auch eine Dusche gab.
Der Schreibtisch, der schmale Schrank, die Regale mit den Büchern. Es sah alles recht aufgeräumt aus. Zu aufgeräumt, denn Ignatius vermisste Bruder Pasquale.
Er ging in das Zimmer hinein. Das Kribbeln auf seinem Rücken verstärkte sich. Obwohl äußerlich nichts darauf hinwies, wollte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, nicht weichen. Das Bett war leer. Es sah nicht mal benutzt aus. Glatt wie ein Strich zog sich der Stoff der Decke darüber hinweg.
Ignatius schaltete das Licht ein und ging nach rechts, um im Bad nachzuschauen. Es kam für ihn als das einzige Versteck in Frage, und er zog sicherheitshalber die Beretta hervor, als er die Tür langsam öffnete. Das Licht aus dem normalen Raum floss über die Schwelle in das Bad hinein, und schon mit dem ersten Blick erkannte Ignatius, dass sich Pasquale auch hier nicht aufhielt.
Er war enttäuscht und zugleich gewarnt. Warum hatte sich Pasquale aus dem Staub gemacht? Und wohin? Oder war der Biss doch so tief gewesen, dass er sich in einen Blutsauger verwandelt hatte?
Daran wollte er noch nicht denken und schob alles von sich weg. Ignatius drehte sich wieder um. Jetzt fiel sein Blick direkt auf das glatte Bett, und er runzelte die Stirn.
Etwas war anders.
Er ärgerte sich selbst über seine leichte Denkblockade, ging einen Schritt auf das Bett zu und blieb in Höhe des kleinen Stehpults stehen, auf dem noch einige Papiere lagen.
Deutlich sah er die helle Stelle an der Wand, und sie besaß die Form eines Kreuzes.
Scharf saugte Ignatius die Luft ein. Jemand hatte das Kreuz verschwinden lassen. In seinem Zimmer hing ein Holzkreuz an der Wand, denn wer hier lebte und arbeitete, der vertraute voll und ganz darauf.
Nur nicht Pasquale!
Er war nicht da, das Kreuz ebenfalls nicht. Er musste es abgerissen haben, weil er seinen Anblick nicht mehr ertragen konnte, und da gab es bestimmt einen Grund.
Er stand auf der anderen Seite!
Ignatius begann zu zittern. Er ging mit zittrigen Bewegungen auf das Bett zu. Er bückte sich und tastete darunter. Seine Hand bekam etwas zu fassen, das sich wie ein Stück Holz anfühlte. Er zog es unter dem Bett hervor – und war nicht mal überrascht, als er sah, was er in der Hand hielt.
Es war ein Teil des Kreuzes!
Ein Stück. Er sah die helle Bruchstelle, griff wieder unter das Bett und holte die nächsten Teile hervor.
»Mein Gott«, flüsterte er, als er die Reste auf das Bett legte. Er schüttelte den Kopf. Da musste jemand mit einem irrsinnigen Hass gewütet haben. Und er besaß auch ziemlich viel Kraft, denn es war nicht leicht, das harte Holz zu zerbrechen.
»Was ist mit dir geschehen, Pasquale?«, flüsterte er vor sich hin. »Warum nur?«
Er konnte sich die Antwort geben, aber er
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