Zwischen Diesseits und Jenseits
wollte sie irgendwie nicht wahrhaben. Es war für ihn nach wie vor tragisch, dass die andere Seite es geschafft hatte, auch in das Innere des Refugiums einzudringen.
Er wusste allerdings, dass seine Aufgabe noch nicht beendet war, denn jetzt musste er Pasquale finden.
Seiner Meinung nach hatte er das Haus noch nicht verlassen und hielt sich irgendwo versteckt. Wahrscheinlich als Veränderter wartete er darauf, das Blut der Menschen trinken zu können, und da war Ignatius eines der potenziellen Opfer.
Oder die beiden Männer, die sich in der Abteilung unter dem Dach aufhielten und dort Wache hatten. Sie waren so gut wie unsichtbar. Sie kümmerten sich nicht um gewisse Vorgänge im Haus, sie hatten da ihren Job zu erledigen und meldeten sich nur, wenn interessante Meldungen eintrafen.
Ignatius verließ das Zimmer nicht gem. Er musste es tun, denn seine Möglichkeiten waren begrenzt.
Für ihn gab es nur den Weg nach oben, doch dann fiel ihm ein, dass unter dem Haus ein alter Keller existierte. Pasquale kannte ihn natürlich auch. Er war jedem Mitarbeiter bekannt und wurde als Archiv genutzt, aber auch als Höhle, in der sich das Dunkel ausbreitete. Da gab es alte Gänge und ebenso alte Verliese, um die sich niemand kümmerte.
Ignatius stieg trotzdem die Treppe hoch. Er war noch mehr auf der Hut. Seine Beretta hielt er in der Hand. Er würde einen Teufel tun und sie wegstecken. Jeden Augenblick konnte er überfallen werden, und dafür wollte er gerüstet sein.
Eine Etage höher schaltete er ebenfalls das Licht ein. Er wartete darauf, Stimmen zu hören, und wurde enttäuscht.
Auch andere Geräusche blieben aus. Nicht das leise Klacken irgendwelcher Computer, auch kein Rauschen, kein Pfeifen, keine Musik. Hier war es nur still.
Er blieb vor der Tür stehen, hinter der sich die elektronische Abteilung ausbreitete. Sie war recht groß und nicht mit den normalen Zimmern zu vergleichen.
Ignatius fürchtete sich davor, die Tür zu öffnen. Da hatte sich eine Hemmschwelle aufgebaut, die er erst überwinden musste. Er gab sich einen innerlichen Ruck und drückte die Tür auf.
Fenster. Künstliches Licht. Tische, auf denen die modernen Geräte standen und den Raum fast aussehen ließen wie ein Tonstudio. Monitore, die nicht ausgeschaltet waren und in einem matten Licht schimmerten. Tastaturen, über die sich normalerweise flinke Finger bewegten, die aber jetzt ruhten.
Es herrschte auch hier oben eine gespenstische Stille. Father Ignatius merkte seinen Herzschlag überdeutlich, und er spürte auch, wie seine Kehle trocken wurde.
Noch immer blieb er in der Nähe der Tür stehen. Er bewegte seinen Kopf von links nach rechts, weil er sich keine Vorwürfe machen wollte, nicht alles gesehen zu haben.
Aber da war nichts. Es gab kein Leben. Es herrschte eine tiefe und fast dichte Stille, als wäre sie vom Tod hinterlassen worden, der hier seine Zeichen gesetzt hatte.
Er ging weiter in den Raum hinein. Wieder das genaue Schauen, Abwägen und auf jede Eventualität gefasst sein. Man hatte den Raum hier oben auf- und abgeteilt. Hinter zwei quer stehenden langen Schreibtischen, auf denen Computer standen, war so etwas wie ein Archiv angebracht worden. Da lagerten Unterlagen in eingebauten Wandschränken, die verschlossen waren. Die Schlüssel steckten und gaben einen silbrigen Glanz ab.
Er lenkte den Father für einen Moment ab, und deshalb konnte er sich erst wenig später wieder auf die Dinge konzentrieren, die ihn gestört hatten.
Eigentlich war es nur der Geruch!
Ignatius schluckte. Er schmeckte ihn auf der Zunge. Der Geruch wollte auch nicht weichen, als er sich zwischen die beiden Tische durch die Lücke schob.
Sein Blick fiel auf den Boden, und Ignatius erstarrte.
Da lagen sie!
Selbst in der Dunkelheit sahen sie schlimm aus.
Die beiden Körper lagen übereinander und bildeten ein Kreuz. Er sah die blassen Gesichter, und auch ohne helles Licht wusste der Mann, das sie nicht mehr lebten.
Ignatius ging zum Lichtschalter und drückte ihn. Unter der Decke wurde es hell. Der kalte Schein des Arbeitslichtes breitete sich innerhalb des großen Raums aus wie eine Flut, die auch die beiden Männer nicht verschonte.
Es war ein schreckliches Bild. Beide Brüder waren auf grausame Art und Weise ums Leben gekommen. Ihre Hälse und Kehlen sahen aus, als wären sie von Krallen zerrissen worden. Um die Köpfe herum hatten sich zwei Blutlachen ausgebreitet.
Tot oder nicht?
Beim ersten Hinsehen hätte es nur eine Antwort
Weitere Kostenlose Bücher