Zwischen Diesseits und Jenseits
Puma starrte ihn an. Bösartig wirkte auf den Mann das kalte Gelb der Augen. Seine Lippen zuckten, es war so etwas wie ein Zeichen, und dann drückte er ab.
Der Schuss donnerte auf. Echos umfegten seine Ohren, die von den glatten Steinen und der Decke zurückgeworfen wurden. Er bewegte sich nicht vom Fleck und schaute nur schräg nach unten, wo die Kugel den Puma hoffentlich getroffen hatte.
Das Tier schnellte sich plötzlich in die Höhe, als hätte ihm jemand von unten einen Stoß gegeben. Ignatius hörte auch das wütende Fauchen, und einen Moment später war das Tier weg.
Der Puma war verschwunden, abgetaucht.
Ignatius hörte nichts. Kein Winseln, kein Schreien, was eigentlich hätte sein müssen, wenn die Kugel getroffen hätte. Aber es gab nur wieder diese bedrückende Stille, nachdem die Echos des Schusses verhallt waren.
Father Ignatius überlegte, was er tun sollte. Versuchen, den Puma zu verfolgen, oder einfach nur warten, bis er zurückkehrte, um ein neues Opfer zu suchen? Das setzte voraus, dass er noch lebte. Je mehr Zeit verstrich, desto überzeugter wurde der Mönch davon.
Ignatius spähte über das Geländer hinweg in die Tiefe, um zu erfahren, ob sich dort jemand bewegte. Auch da sah er nichts. Das gesamte Haus wirkte wie ausgestorben. Es war leer nach außen hin, aber in seinem Innern lauerte der Schrecken, auch wenn er nicht zu fassen war.
Father Ignatius schlich abwärts. Sehr vorsichtig. Fast wie ein Kind, das zum ersten Mal eine Treppe hinablaufen darf. Er hielt sich mit der linken Hand am Geländer fest. Die Finger der rechten hielten noch den Griff der Beretta umschlossen.
Es klappte alles bestens. Je mehr Stufen er hinter sich ließ, um so wohler fühlte er sich. Dabei redete er sich selbst ein, den Puma zumindest vertrieben zu haben, wobei ihm noch immer nicht klar war, wie er ins Haus gelangt war.
Es sei denn, jemand hatte ihm eine der Türen geöffnet, und das hätte nur Pasquale sein können.
Am Ende der Treppe atmete er wieder tief durch. Noch hatte er sein Ziel nicht erreicht, denn das Arbeitszimmer lag im Parterre. Zwischen ihm und diesem Ziel gab es noch einige Stufen zu überwinden, was ihm keine Probleme mehr bereitete, denn jetzt fühlte er sich lockerer.
Der Blick durch ein Fenster.
Er brachte nicht viel, denn die Nebelschlieren zogen weiter ihre Bahnen durch den totenstillen Garten.
Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Das sah der Mönch in diesem Augenblick sehr deutlich, als sich die Gestalt seines Schattens auf den Stufen abmalte. Er kam ihm sehr lang vor, und Ignatius musste daran denken, dass noch ein paar Stunden der Dunkelheit vor ihm lagen. Er spielte jetzt mit dem Gedanken, das Haus zu verlassen und woanders zu übernachten, aber das war auch nicht sein Ding. Feige war er noch nie gewesen.
Vor der Treppe blieb er stehen. In der Kühle des Eingangsbereichs war nichts zu hören. Er drehte seinen Kopf und schaute das große Holzkreuz an, das auch hier an der Wand hing.
Es war für ihn ein Zeichen der Hoffnung, und das genau war für ihn jetzt wichtig. Hoffnung haben und wieder normal in die Zukunft schauen zu können, mehr wollte er im Moment nicht. Bis das der Fall war, würde noch Zeit vergehen, und er wünschte sich, dass er dies noch alles erlebte und nicht vorher starb.
Ignatius hatte sich vorgenommen, sein Arbeitszimmer zu betreten. Dabei blieb es auch, nur wollte er zuvor noch einen Blick durch die Tür nach draußen werfen.
Der geheimnisvolle Puma befand sich nicht in der Nähe. So ging Ignatius ungestört auf die schwere Eingangstür zu, die er dann regelrecht aufstemmte.
Ignatius war froh über die kühle, wenn auch nebelfeuchte Luft, die ihm entgegenströmte und über sein Gesicht fuhr wie zahlreiche kalte Finger. Er atmete tief durch. Er schaute in die graue Dunkelheit, und wieder überkam ihn der Wunsch, einfach alles liegen und stehen zu lassen, um den Rest der Nacht woanders zu verbringen.
Er tat es nicht.
Er schloss die Tür, drehte um und hatte erst die Hälfte geschafft, als er das Poltern und die Flüche hörte.
Sofort hatte er die Stimme erkannt. Sie gehörte Pasquale. Zusammen mit dem Poltern war beides aus seinem Arbeitszimmer gedrungen...
***
Es gab ihn noch! Er war nicht tot!
Ignatius wusste nicht, wie er seine Gefühle einordnen sollte. Sollte er sich freuen oder nicht?
Letztendlich war er froh, und das musste er auch sein über einen Menschen, der noch lebte, egal, was er alles angestellt hatte. Wenn es eine Chance gab,
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