Zwischen Diesseits und Jenseits
ihm zu helfen, dann musste er die nutzen.
Ignatius lief auf die Tür zu, und das sogar recht schnell. Je näher er ihr kam, um so langsamer wurden seine Schritte. Ein Zittern durchlief seinen Körper, als er den Schrei vernahm und das anschließende Poltern hörte.
Vor der Tür blieb er stehen. Tief atmete er ein. Er konnte sich noch keinen Reim auf die Geräusche machen, doch er ging davon aus, dass Pasquale sich austobte. Eine andere Erklärung gab es für seine Schreie und die dumpfen Geräusche nicht.
Durch ein Schlüsselloch konnte er nicht schauen, es war zu schmal, und er hätte auch nicht viel gesehen, »weil der Raum zu weitläufig war, also gab es keine andere Möglichkeit, als die Tür aufzureißen und in das Arbeitszimmer zu stürmen – falls nicht abgeschlossen war.
Wieder lauschte er!
Im Moment war es still. Es passte ihm nicht, weil er sich gut vorstellen konnte, dass sich Pasquale auf die Tür konzentrierte und praktisch darauf wartete, dass jemand kam.
Die Waffe lag in seiner Hand. Er wollte sie nicht unbedingt einsetzen, aber wenn es sein musste, dann war es das Beste. Er konnte sich auch nicht vorstellen, was aus Pasquale geworden war. Hoffentlich keine Bestie, kein Vampir, der auf der Suche nach Blut war.
Er riss die Tür auf.
Und dann ging alles sehr schnell. Als er über die Schwelle in den Raum hineinsprang, sah er mit einem Blick, was los war. Zum Glück drehte ihm Pasquale den Rücken zu. Er stand vor einem der Bücherregale und hatte bereits einige Bücher voller Wut herausgeholt und zu Boden geschleudert. Im Moment tat er nichts. Er bewegte nur seinen Kopf, als wollte er herausfinden, wo er am besten noch hingreifen konnte, um alles zu Boden zu schleudern.
Vom Rücken her gesehen sah er aus wie immer und trug auch noch die dunkle Kleidung. Das Haar war das gleiche geblieben, vorn schütter und fast gar nicht mehr vorhanden, und hinten länger bis in seinen Nacken.
Er hatte nicht gehört, dass jemand das Zimmer betreten hatte. Ignatius warf einen raschen Blick nach links, wo sich sein Schreibtisch befand. Dort war noch alles in Ordnung, Pasquale hatte sich nur an den Büchern ausgetobt.
Er riss wieder die Arme hoch. Das wenige Licht produzierte auch seinen Schatten, der aussah wie der eines Monstrums, das jetzt gierig irgendwo hinfasste.
»Hände oben lassen!«
Es war ein Befehl, den Pasquale einfach hören musste, so laut und deutlich hatte Ignatius gesprochen. Und sein Mitbruder hatte den Befehl verstanden. Er zuckte zusammen und heulte plötzlich auf wie ein Tier. Dann drehte er sich langsam um und kam auch aus seiner geduckten Haltung in die Höhe.
Ignatius erschrak!
Das Blut schoss ihm in den Kopf. Er hatte mit einer Verwandlung seines Mitbruders gerechnet, die war zwar nicht eingetreten, trotzdem sah der Mann zum Fürchten aus. Sein Gesicht war zu einer Fratze geworden. Die Proportionen hatten sich verschoben, der Mund stand schief, und an der rechten Wange waren sogar in diesem Licht die Kratzspuren nicht zu übersehen, die möglicherweise von den Krallen des Pumas stammten.
Father Ignatius musste sich erst fangen, bevor er eine Frage stellen konnte. »Gütiger Himmel, was ist mit dir, Pasquale?«
Der Mitbruder gab keine normale Antwort, obwohl er es versuchte. Er würgte etwas hervor, und sein Gesicht verzog sich dabei noch stärker. Mit schwankenden Bewegungen torkelte er auf Ignatius zu. Er rollte die Augen so stark, dass dabei das Weiße hervortrat. Von seiner Zerstörungswut war nichts mehr zu merken.
Er tat Ignatius plötzlich Leid. Pasquale war nicht mehr er selbst. Irgendjemand hatte ihn zu einem Werkzeug gemacht, und Ignatius merkte, dass ihm die rechte Hand schwer wurde. Es passierte nicht direkt, es war eine Folge dessen, was sich in seinem Innern aufgebaut hatte. Er würde nie und nimmer auf Pasquale schießen können, auch wenn dieser durchdrehte.
Der Mann wusste nicht mehr, was er tat. Er stand plötzlich still und warf seinen Kopf von einer Seite zur anderen. Dabei stöhnte er tief auf. Ignatius bemerkte, dass er das Blut, das seine Halswunde bedeckte, auch im Gesicht verschmiert hatte.
Ignatius ließ sich von dem glasigen Blick nicht beirren. »Bitte, Pasquale«, sprach er ihn an. »Bitte, komm zu dir! Ich bin es. Ignatius. Versuche, dich zusammenzureißen und wieder ein normaler Mensch zu werden.«
Pasquale gab keine Antwort. Er bewegte sich auch nicht, sondern glotzte nur in das Gesicht des Mönchs. Den schiefen Mund verzog er in die Breite, und
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