Zwischen Himmel und Liebe
kam, dass ein Mensch es wert war, dass man mit ihm redete, dann belehrte er den Betreffenden mit endlosen Vorträgen. Man brauchte ihm nicht zu antworten, denn er redete nicht, weil er ein Gespräch führen wollte, sondern nur, um seine Ansichten darzustellen. Nur sehr selten verbrachte er Zeit mit Luke, denn er hatte keine Zeit für alberne Spiele und anderen Unsinn. Das Einzige, was er an Luke zu mögen schien, war die Tatsache, dass er ein unbeschriebenes Blatt war, das man mit Information füllen konnte und das nicht über genug Wissen verfügte, um seine Meinungen in Frage zu stellen oder ihn gar zu kritisieren. Märchen und Fantasiegeschichten hatten bei Elizabeths Vater keinen Platz. Vermutlich war das die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihm und ihr.
Sie gähnte und streckte sich, und da sie ihre Augen in dem hellen Licht immer noch nicht richtig aufbekam, tastete sie vorsichtig nach ihrem Wecker. Obwohl sie jeden Morgen um die gleiche Zeit aufwachte, vergaß sie nie, den Wecker zu stellen. Ihr Arm stieß gegen etwas Kaltes, Hartes, das mit lautem Krachen zu Boden fiel. Ihr verschlafenes Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus.
Aber als sie den Kopf aus dem Bett steckte, entdeckte sie auf dem makellos weißen Teppich den eisernen Schürhaken. Die »Waffe« erinnerte sie daran, dass sie bei Rentokil anrufen musste, um die Mäuse bekämpfen zu lassen. Das ganze Wochenende hatte sie die kleinen Plagegeister im Haus herumhuschen hören, und die letzten Nächte hatte sie kaum geschlafen, weil sie fürchtete, sie könnten in ihrem Schlafzimmer sein. Obgleich wenig Schlaf für sie nicht ungewöhnlich war.
Sie wusch sich, zog sich an, weckte Luke und ging dann hinunter in die Küche. Wenige Minuten später hielt sie eine Tasse Espresso in der Hand und wählte die Nummer von Rentokil. Schläfrig schlenderte Luke in die Küche, die blonden Haare zerzaust, das orange T-Shirt halb in die roten Shorts gestopft. Sein Outfit wurde ergänzt von zwei verschiedenen Socken und Turnschuhen, an denen bei jedem Schritt ein Lämpchen aufleuchtete.
»Wo ist Ivan?«, fragte er mit verschlafener Stimme und sah sich in der Küche um, als wäre er noch nie in seinem Leben in diesem Raum gewesen. In diesem Zustand war er jeden Morgen, und er brauchte mindestens eine Stunde, um richtig aufzuwachen, selbst wenn er schon längst angezogen war und herumlief. An dunklen Wintermorgen brauchte er noch länger, und Elizabeth vermutete, dass er erst nach ein paar Stunden in der Schule mitbekam, was eigentlich los war.
»Wo ist Ivan?«, wiederholte er, ohne seine Frage an jemanden Bestimmtes zu richten.
Elizabeth legte den Zeigefinger auf die Lippen und blickte ihn tadelnd an, während sie der Dame von Rentokil lauschte. Luke wusste eigentlich, dass er sie beim Telefonieren nicht unterbrechen durfte. »Es ist uns erst dieses Wochenende aufgefallen. Seit Freitagmittag genau genommen, deshalb hab ich mich gefr…«
» IVAN ?«, brüllte Luke und begann suchend in der Küche umherzuwandern, schaute unter dem Tisch nach, hinter den Vorhängen, hinter der Tür. Elizabeth verdrehte die Augen. Schon wieder dieses Theater.
»Nein, ich hab …«
» IVAAAAN ?«
»… bisher keine gesehen, aber ich spüre genau, dass sie da sind«, vollendete Elizabeth ihren Satz und versuchte, Lukes Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, damit sie ihn wieder strafend anstarren konnte.
» IVAN , WO BIST DU DENN ?«, krakeelte Luke.
»Kot? Nein, kein Kot«, erklärte Elizabeth, allmählich ziemlich frustriert.
Luke hörte auf zu schreien und spitzte die Ohren. » WAS ? ICH KANN DICH NICHT RICHTIG HÖREN .«
»Nein, ich habe keine Mausefallen im Haus. Hören Sie, ich habe furchtbar viel zu tun und wirklich keine Zeit für Ihre ganzen Fragen. Können Sie nicht einfach jemanden vorbeischicken, der es sich ansieht?«, fauchte Elizabeth ins Telefon.
Plötzlich rannte Luke hinaus in die Halle. Elizabeth hörte, wie er an die Wohnzimmertür hämmerte. » WAS MACHST DU DENN DA DRIN , IVAN ?« Er zerrte am Türgriff.
Inzwischen hatte Elizabeth ihr Gespräch beendet und den Hörer auf die Gabel geknallt. Luke stand an der Wohnzimmertür und kreischte aus vollem Hals. Elizabeth kochte.
» LUKE ! MACH , DASS DU IN DIE KÜCHE KOMMST !«
Sofort hörte das Hämmern auf, und Luke kam angeschlurft.
» HEB GEFÄLLIGST DIE FÜSSE !«, brüllte sie.
Er tat es, und die Lichter an den Sohlen seiner Turnschuhe blitzten bei jedem Schritt. Dann stand er vor ihr und fragte mit seinem
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