Zwischen Himmel und Liebe
hohen Stimmchen so leise und unschuldig, wie er nur konnte: »Warum hast du Ivan gestern Abend im Wohnzimmer eingesperrt?«
Schweigen.
Sie musste der Sache ein Ende setzen, und zwar augenblicklich. Wenn sie sich jetzt gleich mit ihm hinsetzte und das Thema ausdiskutierte, würde er am Ende ihre Wünsche respektieren, und es würde keine Gespräche über unsichtbare Freunde mehr geben.
»Und außerdem möchte Ivan gerne wissen, warum du den Feuerhaken mit ins Bett genommen hast«, fügte Luke hinzu, ermutigt, weil sie ihn nicht gleich wieder anbrüllte.
Aber jetzt explodierte sie: »Kein Wort mehr über diesen Ivan, hast du verstanden?«
Lukes Gesicht wurde weiß.
» HAST DU DAS VERSTANDEN ?«, wiederholte sie noch lauter. Sie gab ihm keine Chance zu antworten. »Du weißt genauso gut wie ich, dass es diesen Ivan
nicht gibt
. Er spielt
nicht
mit dir Fangen, er isst
keine
Pizza, er ist
nicht
im Wohnzimmer, und er ist
nicht
dein Freund, weil er nämlich
nicht
existiert.«
Luke verzog das Gesicht, als wollte er anfangen zu weinen.
»Heute gehst du zu deinem Großvater«, fuhr Elizabeth fort, »und wenn ich mitkriege, dass du Ivan bei ihm erwähnst, dann kriegt du
echt Ärger
. Hast du gehört?«
Luke begann leise zu weinen.
»Hast du das gehört?«, wiederholte sie.
Luke nickte, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.
Allmählich verebbte Elizabeths Wut, und stattdessen tat ihr jetzt von dem Geschrei der Hals weh. »Setz dich an den Tisch, ich bringe dir dein Frühstück«, sagte sie leise und holte Cocopops. Normalerweise erlaubte sie ihm kein so süßes Frühstück, aber sie hatte die Ivan-Situation nicht ganz so einwandfrei in den Griff bekommen, wie sie es sich gewünscht hätte. Sie wusste, dass ihre gelegentlichen Wutausbrüche ein Problem waren. So saß sie nun am Tisch und sah zu, wie Luke sich Cocopops in seine Schüssel schüttete und wie seine kleine Hand dann so unter dem Gewicht der Milchpackung zitterte, dass etwas Milch auf den Tisch spritzte. Aber sie verbiss sich eine weitere Schreiattacke, auch wenn sie den Tisch erst gestern Abend auf Hochglanz poliert hatte. Irgendwas an dem, was Luke gesagt hatte, beunruhigte sie, aber sie konnte sich nicht mehr erinnern, was. Das Kinn auf die Hände gestützt, beobachtete sie ihn beim Essen. Er mampfte langsam und traurig.
Bis auf das leise Knirschen in Lukes Mund herrschte Stille in der Küche. Nach ein paar Minuten fragte er, ohne sie dabei anzusehen: »Wo ist der Schlüssel zum Wohnzimmer?«
»Luke, nicht mit vollem Mund«, sagte sie leise. Dann kramte sie den Wohnzimmerschlüssel aus der Tasche, ging durch die Halle zum Wohnzimmer und schloss auf. »Bitte, jetzt kann Ivan ungehindert das Haus verlassen«, scherzte sie und bereute es sofort.
»Kann er gar nicht«, widersprach Luke traurig vom Küchentisch. »Er kann nämlich keine Tür aufmachen.«
Schweigen.
»Er kann keine Tür aufmachen«, wiederholte Elizabeth.
Luke schüttelte den Kopf, als wäre das, was er gesagt hatte, das Normalste der Welt. So etwas Absurdes hatte Elizabeth noch nie gehört. Was für ein imaginärer Freund war dieser Ivan, wenn er nicht mal durch Wände und Türen gehen konnte? Nun, sie würde die Tür jedenfalls nicht für ihn öffnen, sie hatte schon aufgeschlossen, und das war lächerlich genug. Sie ging zurück in die Küche, um ihre Sachen für die Arbeit zusammenzupacken. Luke aß sein Frühstück auf, stellte die Schüssel in die Spülmaschine, wusch sich die Hände, trocknete sie ab und ging zum Wohnzimmer. Er drehte den Knauf, öffnete die Tür, trat einen Schritt beiseite, grinste breit ins Nichts, legte den Zeigefinger an die Lippen, deutete mit dem anderen auf Elizabeth und kicherte leise vor sich hin. Voller Entsetzen sah Elizabeth ihm zu. Langsam ging sie durch die Halle, stellte sich neben Luke an die Tür und spähte ins Wohnzimmer.
Es war natürlich leer.
Die Frau von Rentokil hatte gesagt, es sei ungewöhnlich, dass im Juni Mäuse ins Haus kamen, und während Elizabeth sich jetzt argwöhnisch im Wohnzimmer umsah, fragte sie sich, was in aller Welt dann die ganzen Geräusche verursachte.
Lukes Kichern holte sie aus ihrer Trance. Als sie durch die Halle blickte, sah sie ihn am Küchentisch sitzen, fröhlich mit den Beinen baumeln und Gesichter schneiden. Gegenüber von ihm stand auf einem Platzdeckchen eine Schüssel mit frischen Cocopops.
»Junge, sie ist aber echt streng«, flüsterte ich Luke zu, während wir am Tisch saßen und
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