Zwischen Himmel und Liebe
spüren konnten?
»Die Fahrt dauert ungefähr zwei Minuten, aber zu Fuß sind es zwanzig«, erklärte ich. »Warum fragt ihr mich denn so ein Zeug?«
»Ivan«, lachte Olivia. »Spiel nicht den Idioten. Du weißt doch, dass man immer so bald wie möglich zu einem Freund zurückkehrt, wenn man mal von ihm getrennt wird. Ein Fußmarsch von zwanzig Minuten ist nichts im Vergleich zu dem, was du bei deinem letzten Freund gemacht hast.« Sie kicherte.
»Ach, kommt schon«, stöhnte ich und warf hilflos die Hände in die Luft. »Ich hab nur versucht rauszufinden, ob Elizabeth mich sehen kann oder nicht. Ich war verwirrt, wisst ihr. Das ist mir nämlich noch nie passiert.«
»Keine Sorge, Ivan«, lächelte Opal, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme honigsüß. »Es ist selten. Aber es ist schon vorgekommen.«
Wieder schnappten alle nach Luft.
Aber Opal stand auf, packte in aller Ruhe ihre Akten zusammen und machte Anstalten zu gehen.
»Wo willst du hin?«, fragte ich überrascht. »Du hast mir überhaupt noch nicht gesagt, was ich tun soll.«
Opal nahm ihre rote Brille ab, und ihre schokoladenbraunen Augen musterten mich. »Das ist kein Notfall, Ivan. Ich kann dir keinen Rat geben, du musst einfach auf dich selbst vertrauen und darauf, dass du die richtige Entscheidung triffst, wenn die Zeit gekommen ist.«
»Was denn für eine Entscheidung? Eine Entscheidung worüber denn?« Jetzt war ich noch verwirrter.
Opal grinste mich an. »Wenn die Zeit kommt, wirst du es merken. Viel Glück.« Und damit verließ sie das Meeting. Alle starrten mich verblüfft an. Als ich die ratlosen Gesichter sah, nahm ich von dem Vorhaben Abstand, einen von den Zurückgebliebenen um einen Tipp zu bitten.
»Tut mir Leid, Ivan, aber ich wäre genauso verwirrt wie du, wenn ich in deiner Lage wäre«, sagte Calendula, während sie aufstand und sich die Falten ihres Sommerkleidchens glatt strich. Dann umarmte sie mich herzlich und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Ich gehe jetzt mal lieber, sonst komm ich noch zu spät.«
Ich sah ihr nach, wie sie zur Tür hüpfte, und ihre blonden Locken hüpften bei jedem Schritt mit. »Viel Spaß bei der Teeparty!«, rief ich.
»Triff die richtige Entscheidung«, grummelte ich vor mich hin, während ich mir das, was Opal gesagt hatte, noch einmal durch den Kopf gehen ließ. »Was denn überhaupt für eine Entscheidung?« Aber dann schoss mir ein grusliger Gedanke durch den Kopf. Was, wenn ich es nun nicht schaffte, die richtige Entscheidung zu treffen? Würde dann jemand zu Schaden kommen?
Dreizehn
Elizabeth wiegte sich sanft auf der Hollywoodschaukel in ihrem Garten hin und her, die schmalen Hände fest um einen Steingutbecher mit heißem Kaffee gelegt. Langsam ging die Sonne unter, und eine leichte Kühle verdrängte allmählich die Wärme des Tages. Elizabeth starrte in den Himmel hinauf – ein perfekter Abendhimmel, übersät mit Wattewölkchen in Rosa, Rot und Orange, wie auf einem Ölgemälde. Dem Hügel direkt vor ihr entstieg ein bernsteinfarbenes Glühen, ähnlich dem sanften Licht, das von Lukes Bettdecke aufstieg, wenn er sich mit der Taschenlampe darunter versteckte, um zu lesen. Tief sog sie die kühle Luft in ihre Lungen.
Abendrot
, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf sagen.
»Abendrot, Gutwetterbot, Morgenrot mit Regen droht«, ergänzte sie leise.
Eine sanfte Brise erhob sich, als seufzte auch die Luft, genau wie sie. Eine ganze Stunde saß sie nun schon hier draußen. Luke spielte oben in seinem Zimmer mit seinem Freund Sam, nachdem er den Tag bei seinem Großvater verbracht hatte. Elizabeth wartete darauf, dass Sams Vater, den sie noch nie gesehen hatte, seinen Sohn abholen würde. Normalerweise kümmerte sich Edith um die Eltern von Lukes Freunden, und Elizabeth freute sich nicht auf das unvermeidliche Geplauder über Kinderthemen.
Inzwischen war es Viertel vor zehn, und das Licht schien sich für den heutigen Tag verabschieden zu wollen. Elizabeth hatte lange auf der Schaukel gesessen und dabei die Tränen in Schach gehalten, hatte tapfer den Kloß in ihrem Hals hinuntergeschluckt und die Gedanken niedergerungen, die ihren Kopf überschwemmten. Sie hatte das Gefühl, sich gegen eine große Übermacht zur Wehr setzen zu müssen, die ihre Pläne zu durchkreuzen drohte. Sie kämpfte mit den Leuten, die sich ohne zu fragen in ihre Welt drängten, sie kämpfte mit Luke und seinem kindlichen Dickkopf, sie kämpfte mit ihrer Schwester und ihren Problemen, mit Poppy und ihren
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