Zwischen jetzt und immer
hinkommen«, sagte Bert. Ich wandte mich wieder zu ihm um. Er mühte sich gerade mit einem Schlips ab.
»EDWler?«
Er schlang das eine Ende der Krawatte über das andere und schob den Knoten hoch, allerdings zu fest, so dass er alles wieder auseinander fummeln und von vorn beginnen musste. »EDW steht für ›Ende der Welt‹«, erklärte er mir und fing mit dem nächsten Knoten an. Dieses Mal geriet ihm das vordere Ende viel zu lang, so dass es fast bis zur Gürtelschnalle runterhing. »Ein solches Treffen ist eine Supergelegenheit, neue Theorien kennen zu lernen und Recherche-Ergebnisse mit Gleichgesinnten auszutauschen, die sich genauso für das Thema interessieren wie ich.« Er blickte kläglich an sich runter. »Hilfe, warum ist das bloß so kompliziert? Weißt du, wie das geht?«
»Nicht so richtig.« Mein Vater hatte sich eher leger gekleidet. Und Jason trug zwar häufig Krawatten, konnte sie aber mit geschlossenen Augen binden. Deshalb hatte es für mich nie einen Anlass gegeben, es zu lernen.
»Kristy hat versprochen, sie würde mir helfen«, grummelte Bert und zerrte ungeduldig an dem Schlips, was aber bloß zur Folge hatte, dass er vorne noch länger wurde. Außerdem lief er allmählich puterrot an. »Sie hat’s mir
versprochen
.«
»Ganz ruhig bleiben.« Wes kam herein, ging um mich herum, stellte sich vor Bert, entwirrte den Schlips, glättete die Enden. »Still halten!« Und dann – ein Griff, ein Dreh aus dem Handgelenk, ein kräftiges Ziehen. Und der Knoten saß perfekt. Bert und ich konnten bloß staunend zusehen.
»Wahnsinn«, meinte Bert und blickte verdutzt an sich runter, während Wes einen Schritt zurücktrat und sein Werk prüfend musterte. »Wo hast du das denn gelernt?«
»Als ich vor Gericht erscheinen musste«, antwortete Wes. Er streckte die Hand aus, zupfte den Tempofetzen von Berts Gesicht und rückte die Krawatte noch einmal gerade. »Brauchst du Geld?«
Bert lächelte überlegen. »Was denkst du denn? Ich habe mir meine Eintrittskarte schon im März im Vorverkauf geholt, Essen inklusive. Es gibt Hühnchen und sogar Nachtisch. Alles bezahlt.«
Wes zog einen Zwanziger aus dem Portemonnaie und steckte den Schein in Berts Hemdtasche. »Ab jetzt absolutes Rasierwasserverbot, okay?«
»Okay.« Noch einmal bewunderte Bert den Sitz seines Schlipses. Das schnurlose Telefon auf dem Bett klingelte. Bert schnappte es sich und drückte auf den Antwortknopf. »Hallo. Hi, Richard. Ja, ich auch . . . Gestreiftes Hemd, blauer Schlips, normale Hose. Meine guten Schuhe. Und du?«
Wes verließ mit einem amüsierten Kopfschütteln den Raum und lief über den Flur in sein Zimmer. Ich folgte ihm, lehnte mich an den Türstock, ließ meinen Blick noch einmal über die sparsame Einrichtung wandern. »Wie ich sehe, bist du Minimalist«, sagte ich.
»Falls du meine paar Möbel meinst – nö, ich habe bloß was gegen voll gestopfte Räume«, antwortete er, öffnete den Wandschrank und holte etwas heraus. »Was du hier nicht siehst, das brauche ich auch nicht.«
Ich verließ meinen Platz im Türrahmen, ging zur Kommode und beugte mich vor, um das Foto am Spiegel besser sehen zu können. Ich war ein bisschen zu neugierig, schonklar, aber ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen: »Ist das Becky?«
Wes drehte sich um, sah erst mich und dann das Foto an. »Nein. Becky ist viel dünner, knochiger. Das ist meine Mutter.«
Wish war schön – der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss – und jung, zumindest auf diesem Bild. Um die zwanzig, schätzte ich. Sofort entdeckte ich die Ähnlichkeit zwischen ihr und Bert, die Augen, das runde Gesicht . . . Ich erkannte Delias strahlendes Lächeln wieder, ihre dunklen Locken. Doch vor allem erinnerte sie mich an Wes beziehungsweise umgekehrt. Vielleicht lag es an der Art, wie sie nicht direkt in die Kamera blickte, sondern mit einem halben Lächeln daran vorbei. Ungezwungen, ungekünstelt. Sie posierte nicht, sondern saß einfach da, auf einem Brunnenrand, die Hände im Schoß gefaltet. Hinter ihr glitzerte das Wasser.
»Du siehst ihr sehr ähnlich«, sagte ich.
Wes kam mit einem kleinen Karton in der Hand zu mir herüber und stellte sich so hinter mich, dass unsere Spiegelbilder im Rahmen zu sehen waren. »Findest du?«
»Ja, absolut«, erwiderte ich.
Bert stürzte mit einem Fusselroller in der Hand aus seinem Zimmer und machte kurz Zwischenstation in Wes’ Zimmer. »Ich muss los«, sagte er. »Ich möchte auf jeden Fall vor dem
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