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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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beruhigen.«
    Ich wusste genau, was sie meinte. Und das war vielleicht das Merkwürdigste überhaupt. Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre ein Nachmittag wie dieser ganz nach meinem Geschmack gewesen: Alles klappt wie am Schnürchen, ist einfach perfekt. Doch so, wie die Dinge heute liefen, war es fast unheimlich und   – ehrlich gesagt   – ein wenig langweilig.
    Der Zeiger kroch von vier auf halb fünf auf fünf. Und allmählich kam ich auf die Idee, dass sich dieser Zustand   – das Leben hatte sich heute offenbar für eine gewisse Gleichmütigkeit entschieden   – gerade für mich möglicherweise als Vorteil erweisen könnte. Schließlich würden Delia, Wes und Bert mich in etwa einer halben Stunde am Park absetzen, wo ich mich meiner Mutter stellen und ihr die Sache mit dem Infothekensprung erklären musste. Je näher dieser Zeitpunkt rückte, umso aufgeregter wurde ich, versuchte allerdings jedes Mal, wenn sich mir wieder mal der Magen zusammenkrampfte, mich an das zu erinnern, was Delia mir geraten hatte: dass es zwar möglicherweise nicht leicht sein würde, meiner Mutter von meinen wahren Gefühlen zu erzählen, ich es aber dennoch immer wieder versuchen müsste. Nein, leicht würde es bestimmt nicht sein, aber es wäre immerhin ein Anfang. Wie hatte mein Vater so oft gesagt? Der erste Schritt ist der schwerste.
    Darüber grübelte ich gerade nach, während ich mit einem Pfannenheber am Buffet stand, als plötzlich jemand mit der Hand vor meinem Gesicht wedelte.
    »Hallo-o?«
    Ich blinzelte Wes an.
    »In welcher Realität treibst du dich gerade herum?«, fragte er.
    »Im Land der Wahrheit und ihrer Konsequenzen«, antwortete ich und stupste mit dem Pfannenheber sachte gegen das vegetarische Angebot (gegrillte marinierte Paprika und Bohnen-Burger aus scharf gewürzten Kidneybohnen), das allerdings bisher wenig Abnehmer gefunden hatte. »Noch eine knappe Stunde bis zum Vulkanausbruch.«
    »Stimmt.« Kritisch beäugte er die Bohnen-Burger. »Jason.«
    »Nicht Jason«, antwortete ich. »Jason ist das geringste meiner Probleme. Nein, meine Mutter.«
    »Ach so, ja.« Wes nickte.
    »An Jason habe ich überhaupt nicht mehr gedacht.« Mit dem Pfannenheber arrangierte ich die Bohnen-Burger so, dass sie hoffentlich etwas appetitlicher wirkten. »Ich meine, ich hatte schon Angst, ihm in der Bibliothek über den Weg zu laufen, weil das vermutlich ziemlich ungemütlich geworden wäre. Aber so wie die Dinge stehen . . . jetzt ist alles anders. Ich meine, wir sind . . .«
    Wes schwieg und wartete geduldig darauf, dass ich das richtige Wort fand. Eine Frau warf einen argwöhnischen Blick auf die Paprika, bevor sie sich reichlich von der nächsten Platte bediente, auf der sich die Steaks türmten.
    »Vorbei. Das zwischen uns ist vorbei«, sagte ich schließlich. Und realisierte es erst in dem Moment, da ich es aussprach. Jasons Reaktion auf meinen Abgang in der Bibliothek konnte ich mir lebhaft vorstellen: Er würde nie wieder mit mir zusammen sein wollen. Womit ich   – wie mir gerade klar wurde   – vollkommen einverstanden war. »Es ist vorbei«, wiederholte ich, als eine Art Test, wie es sich anfühlte, wenn meine Lippen die Silben formten. Es fühlte sich gut an. »Zwischen uns ist es aus.«
    »Wow!«, meinte Wes langsam. »Bist du   –«
    »Entschuldigung, ist das alles vegetarisch?« Vor dem Buffet stand eine kleine untersetzte Frau in einem grell gemusterten Kleid mit einem Teller Kartoffelchips in der Hand. Obwohl sie eine Brille mit sehr dicken Gläsern trug, konnte sie das Schild, auf dem FÜR VEGETARIER stand, anscheinend nicht lesen.
    »Ja«, antwortete ich. »Alles auf diesen beiden Platten ist rein vegetarisch.«
    »Sicher?«
    Ich nickte, nahm einen der Bohnen-Burger mit dem Pfannenwender und legte ihn auf ihren Teller. Sie betrachtete ihn misstrauisch, bevor sie weiterging. Ich wandte mich wieder Wes zu: »Was wolltest du gerade   –«
    »Die Dame an dem Ecktisch da drüben möchte eine Weißweinschorle.« Bert düste mit einem Tablett voll zerknüllter Servietten und leerer Plastikbecher vorbei. »Und zwar pronto.«
    Wes lief ums Buffet herum, wobei er mir über die Schulter einen Blick zuwarf. »Äh . . . nicht so wichtig«, meinte er. »Erzähl ich dir später.«
    Wes strebte zur Bar, während Delia sich am Buffet entlang auf mich zubewegte und dabei die Speisen auf den Platten neu arrangierte. Als sie bei den Bohnen-Burgern angelangt war, betrachtete sie die Teile versonnen. »Schon wieder

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