Zwischen Leidenschaft und Liebe
von Pesha hat Jack Nyssa auf eine Weise angesehen, als wäre sie seine Beute - etwas, das man in einem Museum zur Schau stellt. Ich wäre nicht damit einverstanden, daß man Nyssa irgendwo in einem muffigen Salon als Gefangene hält.« Er sah Claire mit einem durchbohrenden Blick an. »Manche Frauen können so etwas vertragen, andere jedoch nicht.«
Sie ignorierte seine letzte Bemerkung. »Wie hast du sie denn betrachtet?«
»So oft, wie möglich«, sagte er grinsend und runzelte die Stirn. »Was ist mit dir los? Wenn jemand unserem Gespräch zuhören würde, käme er auf den Gedanken, daß wir ein Liebespaar sind und du vor Eifersucht platzt - wegen einer Sache, die Monate zurückliegt.«
»Das ist lächerlich. Natürlich bin ich nicht eifersüchtig. Ich bin ... ich interessiere mich für Captain Baker, das ist alles. Vielleicht schreibe ich ja wirklich deine Biographie, obwohl du noch nicht tot bist. Deswegen möchte ich alles, was du getan hast, wissen. Es würde meine Leser ungemein interessieren, zu erfahren, ob du eine schöne junge Frau aus der heiligen Stadt entführt hast, weil du sie liebst. Den Lesern gefiele so eine Geschichte von dem hübschen jungen Forschungsreisenden und der schönen Jungfrau.«
»Als du mich kennengelernt hast, sagtest du, ich sei alt und häßlich. Übrigens ist Nyssa keine Jungfrau - weit entfernt davon.«
»Oh? Ausschweifend also?«
»Du brauchst wirklich nicht so überheblich zu sein. Wenn du wüßtest, daß du nur noch fünf Jahre zu leben hättest, könnte sich deine Einstellung ändern.«
»Ich bin sicher, daß ich genau das täte, was ich jetzt tue. Ich würde den Mann heiraten, den ich liebe, und glücklich mit ihm leben.«
»Schweigend am Frühstückstisch sitzen - in einem Haus, in dem du die Bibliothek nicht betreten darfst.«
»Hör auf damit! Ich kann es nicht mehr ertragen, daß du dich über Harry und mich mokierst. Hast du diese Nyssa geliebt?« Sie schrie diesen Satz förmlich heraus.
»Wenn du mir die Wahrheit sagst, verrate ich sie dir auch.«
Claire wandte sich ab. Was für ein ekelhafter Mann. Er konnte einen zum Wahnsinn treiben. Kein Wunder, daß jemand auf ihn geschossen hat - daß jemand ihn umzubringen versuchte. »Macht dir dein Arm zu schaffen?«
»Ich habe Schlimmeres überstanden.«
Sie lächelte ihn an, und mit einemmal spürte sie keinen Ärger mehr. Manchmal, wenn sie mit ihm zusammen war, vergaß sie, daß er Captain Baker war. Sie vergaß fast alles, was er geleistet und geschrieben hatte - alles, was er wußte. »Erzähl mir von deiner Reise nach Pesha.«
»Damit du es in deiner Biographie verwerten kannst?« erwiderte er grollend.
»Weil ich es hören möchte. Brat sagte mir, du hättest ihr Geschichten von Pesha erzählt. Was ist dort wirklich passiert? Hat Powell zusammen mit dir die Stadt betreten?«
»Nein, ich war allein in der Stadt.« Sie lächelte, weil sie recht gehabt hatte mit ihrer Vermutung, daß Powell keinen Anteil an dieser Leistung hatte.
Sie beobachtete ihn eingehend. Er wurde ihr allmählich so vertraut, daß sie schon in seinem Gesicht zu lesen vermochte. Seine dunklen, fast schwarzen Augen schienen sich nie zu verändern, aber sie wußte, daß er sich über ihre Fragen freute. Und dann, ganz plötzlich, wurde die Atmosphäre prickelnd. Er war ein Mann und sie eine Frau, und sie saßen sich allein gegenüber.
Claire wußte nicht, warum - aber das Herz begann ihr in der Brust zu flattern. Sie sah aus dem Wagenfenster. »Erzähl mir eine Geschichte«, flüsterte sie.
Sie sah Trevelyan nicht an, als er einen tiefen Seufzer von sich gab.
»Wo soll ich anfangen?«
»Drei Tage, bevor du Pesha betreten hast.« Sie holte tief Luft. Sie mußte ihn zum Reden bringen. »Welche Kleider hast du damals getragen? Wie hast du dich verkleidet? Wie hast du die peshanische Sprache gelernt? Wie sehen die Frauen in Pesha aus?«
Trevelyan war ein guter Geschichtenerzähler, hatte das Gespür eines Schauspielers für Pausen und wußte, wie man den Zuhörer neugierig machte. Er erzählte ihr, daß er einen Mann gefunden hatte, der einmal als Sklave in Pesha gewesen war, und daß er diesen Mann auf die Reise mitgenommen hatte, als er nach der heiligen Stadt suchte. Von diesem Mann hatte er die Sprache von Pesha gelernt.
Als Trevelyan erzählte, wie er die Stadt betreten hatte, hielt Claire den Atem an. Obwohl sie den Ausgang der Geschichte kannte, war Trevelyan so spannend, daß sie beim Zuhören um sein Leben bangte. Sie konnte
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