Zwischen Liebe und Begierde: Im Königreich der Oyesen (German Edition)
Freipass zum Prinzen?“ Der König schüttelte ungläubig den Kopf.
Jasurea schwieg. Sie konnte den König nur wortlos anstarren, während ihre Gedanken rasten. Er wusste es. Der König wusste, wer sie war. Aber wieso… Wieso hatte er sie dann mit Nesean schlafen lassen? Wieso hatte er ihr eine Chance eingeräumt, ihre Identität als Neseans Verlobte zu beweisen, wenn er ohnehin schon um ihre wahre Herkunft gewusst hatte? Das ergab alles keinen Sinn.
Instinktiv wich Jasurea vor dem König zurück.
Der König trat zu einem der kleinen Tischchen, nahm eine Traube aus der Früchteschale.
„Eine Traube gefällig?“ Er sah Jasurea fragend an. Sie reagierte nicht. Schock und Unglauben wichen nun der Angst. Furcht stand in ihrem Gesicht.
Rabmaz warf sich die Frucht in den Mund. „Gute Trauben. Gute Ernte.“
Er nahm einen Traubenzweig aus der Früchteschale, aß die grünen Früchte langsam und genüsslich, ohne die Augen von Jasurea zu nehmen. Sie drückte sich schutzsuchend mit dem Rücken gegen die Wand, fixierte den Traubenzweig in Rabmaz Hand mit großen, ängstlichen Augen. Mit jeder Frucht, die er verschlang, wuchs ihre Angst vor ihm. Jasurea war bewusst, dass Rabmaz dies wissen musste. Der König musste es genießen, sie so verängstigt zu sehen. Er genoss Furcht und Frucht gleichermaßen. Nachdem er die letzte Traube verschlungen hatte, warf er den leeren Traubenzweig achtlos auf den Tisch.
„Der alte Gefängniswächter hat mir nach deinem ersten Besuch beim Prinzen von dir erzählt. In den folgenden Tagen hab ich dich ausspionieren lassen. Heute wollte ich endlich mit eigenen Augen sehen, wer das Mädchen ist, das sich für den Prinzen zu opfern bereit ist.“
Er hatte sie ausspionieren lassen? Seit ihrem ersten Besuch beim Prinzen? Das konnte nicht wahr sein!
Jasureas Knie drohten unter ihr nachzugeben. Sie schwankte. Der König war in zwei großen Schritten bei ihr. Seine Arme schlangen sich um ihre Taille, hielten sie fest.
„Na, komm schon. Du hast doch gewusst, worauf du dich da einlässt“, sagte Rabmaz kühl. Er richtete Jasurea gerade auf und ließ von ihr ab, als ihre Knie sie wieder trugen.
„Du weißt, wer ich bin“, flüsterte Jasurea tonlos.
Der König hob die Brauen. „Oh, ich weiß alles über dich, Jasurea Dju. Zwanzig Jahre alt, wohnhaft bei deiner Tante Anaisa Dju, in Ausbildung zur Hundetrainerin. Eine heimliche Leidenschaft fürs Armbrustschiessen.“
„Oh, nein“, flüsterte Jasurea, entsetzt darüber, dass der König sogar ihr Geheimnis kannte.
„Aber eines konnte ich trotz all meinen Nachforschungen nicht herausfinden: Was bringt ein glückliches Mädchen wie dich dazu, sein Leben für das eines Unbekannten aufs Spiel zu setzen?“
Jasurea antwortete nicht. Sie senkte den Kopf. Sie konnte an nichts anderes denken, als daran, dass der König schon ab ihrem ersten Besuch beim Prinzen um ihre wahre Identität gewusst haben musste. Und sie hatte sich stets im Glauben gewähnt, alles unter Kontrolle zu haben, keinerlei Gefahr ausgesetzt zu sein. Es war der Alte gewesen, der sie beim König verraten hatte. Sie hatte ihr Elend dem Alten zu verdanken. Der Alte hatte ihr nicht getraut. Und sie hatte sich noch darüber gewundert, wie leicht es war, Zutritt zum Kerker zu erhalten. Jasurea schloss die Augen. Während all der Zeit, die sie sich in Sicherheit gewähnt hatte, war der König über ihr Handeln bestens informiert gewesen.
„Willst du mir nicht antworten?“, fragte Rabmaz gefährlich leise.
Jasurea hob den Kopf. „Was?“, fragte sie verwirrt. Hatte er sie etwas gefragt?
„Ich habe dich gefragt, wie du dazu kommst, dein Leben für einen Unbekannten aufs Spiel zu setzen.“
Was konnte sie ihm schon sagen? Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Damals, als sie Nesean am Triumphzug zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie ihr Herz sofort an ihn verloren. Doch das würde ein Mann wie der König, trocken, humorlos und kalt, bestimmt nicht verstehen.
Sie schüttelte nur den Kopf. „Das kann ich nicht erklären“, sagte sie leise.
„Dummes Ding“, knurrte Rabmaz. Sie wusste, dass er sich mit seinen Worten auf ihre Besuche beim Prinzen bezog, auf ihren Versuch, dem Prinzen zu helfen.
„Weißt du, welches Schicksal dich erwartet?“
Jasurea wusste sehr wohl, welche Strafe auf Volksverrat stand. Doch sie hatte den Gedanken daran verdrängt. Sie war so davon überzeugt gewesen, ihr Tun geheim halten zu können, dass sie jegliche Gefahr verdrängt hatte.
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